Die Technische Nothilfe — Vom Freikorps zum THW

Kai Schmidt
Das Sonar
Published in
3 min readMar 29, 2015

--

Teil III. Neue Tätigkeiten

Die anderen Teile der Serie: Teil I. /Teil II. / Teil IV.

Die politische Lage der Weimarer Republik beruhigte sich zur Mitte der 1920er Jahre hin. Die wirtschaftliche Lage besserte sich, die großen Gewerkschaften gewannen wieder mehr Einfluss auf die Arbeiterschaft. Tarifkonflikte wurden wieder pragmatisch geführt und auch politische Streiks des linken Spektrums nahmen ab, da man sie als weitgehend unzweckmäßig und wirkungslos abschrieb. Die Zahl der Einsätze der TN in bestreikten Betrieben ging von 152 (1924/25) auf gerade einmal 5 (1925/26) zurück. 1926/27 war nur noch ein einziger solcher Einsatz zu verzeichnen.

Die Technische Nothilfe, die selbst immer behauptet hatte, ein „notwendiges Übel“ aufgrund der ungeregelten und ausufernden Arbeitskämpfe zu sein, welches man abschaffen könne, sobald die Streiks wieder ordentlich und ohne allzu große Belastungen für die Allgemeinheit abliefen, sah sich nun ihrer zentralen Existenzberechtigung beraubt. Wenig überzeugend war wohl das Argument, dass man durch die bloße Existenz der Organisation die Streiklandschaft befrieden würde, da die Option eines Einsatzes der TN die Tarifparteien disziplinieren würde.

Selbsterhaltung ist ein zentrales Ziel jeder Organisation und so suchte auch die TN nach neuen Tätigkeitsfeldern um das eigene Fortbestehen zu sichern. Der Katastrophenschutz schien hier vielversprechend. Schon in den Jahren vor 1925 hatte die TN mit ihrem Personal bei größeren Unglücken die Feuerwehr und Rettungsdienste, vor allem durch ihre relativ großen und schnell zu mobilisierenden Helferkontingente, unterstützt. Nach anfänglichen Unstimmigkeiten konnte sich die TN als dritte Kraft im Katastrophenschutz etablieren. Dies lag auch daran, dass die Reichswehr aufgrund ihrer Größe kaum Personal bei überregionalen Schadenslagen stellen konnte, wie es die Aufgabe der Armeen vor dem Krieg war. Diese Lücke füllte die TN.

So stiegen die Katastropheneinsätze von 52 (1924/25) auf 94 (1925/26). 1926/27 wurde aufgrund zahlreicher Unwetter und Hochwasserereignisse mit weitem Abstand eine Rekordzahl bei den Katastropheneinsätzen erreicht. 1101-mal wurde die TN zu Schadenslagen alarmiert. Dennoch sank die Zahl der aktiven Nothelfer bis 1929 auf 215.000 Aktive. Dies führte auch zu einer Straffung der Verwaltungsstrukturen.

Existenzbedrohend wurde die Lage zum Ende der 1920er. Im September 1928 kündigte der sozialdemokratische Reichsinnenminister Carl Severing an, die Technische Nothilfe schrittweise abbauen und letztlich auflösen zu wollen. Die Notwendigkeit für das Bestehen der Organisation bestehe nicht mehr. Die SPD, welche die TN anfangs gefördert hatte, war in der Opposition auf die Linie der großen Gewerkschaften eingeschwenkt und wollte als neue Regierungspartei diese Haltung nun umsetzen.

Die guten Kontakte, besonders von Otto Lummitzsch, und das hohe Ansehen der TN — nicht nur in konservativen Kreisen — halfen, dieses Ansinnen durch Lobbyarbeit zu verhindern. Nicht verhindern ließen sich drastische Etatkürzungen von über 50% des TN-Haushalts. Infolge der Weltwirtschaftskrise trafen solche Sparmaßnahmen das ganze Land und auch die TN konnte sich dem nicht entziehen, auch wenn man es nach Kräften versuchte. Im Juli des selben Jahres wurde daher der TN e.V. gegründet, um private Geldmittel für die Organisation gewinnen zu können.

Die Einsatzzahlen bei Streiks in Betrieben waren nun bei null angelangt und der Reichsinnenminister Wirth schränkte im September 1930 die Einsatzmöglichkeiten drastisch ein, indem er Einsätze in lebenswichtigen Betrieben nur noch zuließ, wenn durch sie ein öffentlicher Notstand abgewehrt würde. Damit war die TN als Arbeitskampforganisation in eine kleine Nische gedrängt und faktisch spielte ihr Gründungszweck, die Aufrechterhaltung eines Notbetriebs in „lebenswichtigen“ Betrieben bei Streiks, in den folgenden Jahren keinerlei Rolle mehr.

In den Jahren bis zur Machtübernahme durch das NS-Regime widmete sich die TN mit dem Luft- und Gasschutz noch einem neuen Tätigkeitsfeld, um die Organisation relevant zu halten. Der zivile Luftschutz wurde, wie auch der Gasschutz, als Möglichkeit der Vorbereitung auf einen Krieg gesehen, ohne mit den Bestimmungen des Versailler Vertrages in Konflikt zu geraten. Die TN machte, wie andere Organisationen, gezielt Werbung, um die Bevölkerung für die Notwendigkeit dieser Vorkehrungen zu überzeugen. Daneben nahm die TN 1932 auch an mehreren Luftschutzübungen teil, an denen auch die Reichswehr beteiligt war.

Die Organisation dieser Tätigkeiten, insbesondere die im Gasschutz, war noch wenig weit gediehen und wurde durch die angespannte Finanzlage behindert. Sie war es aber, welche die TN für das neue NS-Regime wertvoll machte und den Fortbestand der Organisation ein weiteres Mal sicherte.

--

--