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Die Technische Nothilfe — Vom Freikorps zum THW

Kai Schmidt
Das Sonar

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Teil II. Etablierung

Die anderen Teile der Serie: Teil I. / Teil III. / Teil IV.

Am 30. September 1919 schuf Gustav Noske durch eine Verfügung die „Technische Nothilfe“ als eine reichsweite Organisation, die dem Reichswehrministerium unterstellt wurde. Nach dem Vorbild der TA sollten im ganzen Reich Freiwillige für die Organisation gewonnen werden, damit auch im Falle großer Streiks überall genügend Personal verfügbar war, um lebenswichtige Betriebe aufrecht erhalten zu können. Noske war ein Förderer der TN und blieb es auch nach seinem Rücktritt als Reichswehrminister.

Otto Lummitzsch gab die Führung der Technischen Abteilung auf, um sich dem Aufbau der Technischen Nothilfe zu widmen. Faktisch existierte noch keine Trennung zwischen der TA der Reichwehr und der auf dem Papier von der Reichswehr unabhängigen TN.

Auch optisch waren sie wenig zu unterscheiden, da die TN dieselben Uniformen trug und ebenfalls infanteristisch bewaffnet war. Viele Soldaten wechselten aus der TA in die zivilen hauptamtlichen Führungspositionen der TN. Die TA war die Keimzelle der TN, darüber hinaus entwickelte sie aufgrund ihrer überschaubaren Größe und nur kurzen Aktivität, sie war bereits 1921 aufgelöst worden, keine weitere Bedeutung.

Erstmals eingesetzt wurde die TN im Oktober 1919 während des Berliner Metallarbeiterstreiks. Ende November wurde die TN dem Innenministerium unterstellt. Im Januar 1920 verließ zudem die gesamte TN-Führung die Reichswehr und bildete die hauptamtliche Führung der TN. Grund für diese „Zivilisierung“ der TN waren vor allem die Bestimmungen des Versailler Vertrags, der die Größe des Militärs stark begrenzte. Die Entente-Mächte sahen die TN dennoch mit Sorge und verboten die Organisation in den von ihnen besetzten Gebieten.

Auch die Gewerkschaften sahen die TN sehr kritisch und forderten mehrfach ihre Auflösung. Sie wurde verdächtigt, eine Streikbrecherorganisation zu sein, die jeglichen Arbeitskampf unmöglich machen sollte. Auch dass sich das Personal der TN vor allem aus bürgerlichen Kreisen (Schüler, Studenten, Angestellte, Selbstständige etc.) rekrutierte, verstärkte diese Befürchtung. Wegen dieser kritischen Haltung traten aber auch kaum Arbeiter in die TN ein.

Die SPD war in den ersten Jahren ihrer Regierung eine Förderin der TN, da sie, ähnlich wie bei den Freikorps, erkannt hatte, dass sie ein Machtmittel in den ungeordneten und oft politischen Arbeitskämpfen der frühen Weimarer Republik benötigte. Je weniger diese Arbeitskämpfe wurden, desto kritischer wurde die Einstellung der SPD zur Technischen Nothilfe. Vor allem nachdem die SPD nicht mehr in der Regierungsverantwortung war.

Die Arbeitgeber hingegen wollten die TN gerade als eine solche Streikbrecherorganisation haben und möglichst schnell sowie umfassend einsetzen können. Die ungenaue Definition davon, was „lebenswichtige Betriebe“ seien, bot den Arbeitgebern Raum, die TN als solche zu nutzen. So verrichteten 1923 während des Bayerischen Brauereistreiks 300 Nothelfer Notstandsarbeiten in 25 Brauereien.

Die TN selbst sah sich als neutrale Organisation, deren Zweck alleine darin bestand, durch ihr Eingreifen Schaden für die Allgemeinheit durch Streiks zu verhindern. In dieser Eigenschaft stellte man sich als vorübergehend notwendige Organisation dar, die alleine aus dem Grund bestand, weil die Arbeitskämpfe dieser Zeit oft unkoordiniert und ohne das Sicherstellen einer Notversorgung durch die Arbeiter selbst geführt wurden.

Politische Aktionen beschränkten sich darauf, den Bestand der eigenen Organisation zu sichern und Mittel für diese zu erhalten. Die Angehörigen der TN waren aber in der Mehrzahl bürgerlich/konservativ geprägt und anti-kommunistisch eingestellt.

Zweifel an der Loyalität der TN zur demokratischen Republik kamen immer wieder auf und durch das Verhalten der Organisation während des Kapp-Lüttwitz-Putsches wurden diese Zweifel genährt. Der Generalstreik, welcher zur Bekämpfung des Putsches ausgerufen worden war, führte zum Einsatz der TN im gesamten Reich auf Anordnung der Putschistenregierung.

Über 12000 Nothelfer wurden eingesetzt. Erschwerend kam hinzu, dass sich die TA der Reichswehr dem Putsch am ersten Tag angeschlossen hatte. Nach Ende des Putsches beteuerte die TN ihre Neutralität, konnte aber Verbindungen zu Putschisten nie widerlegen. Die Rolle von TN und TA während des Putsches sind stark mit der Rolle der Reichswehr vergleichbar und wie letztere überstand die TN den Putsch ohne allzu große Schäden.

In den Jahren bis 1925 konnte sich die TN durch viele hundert Einsätze eine wichtige Stellung in der Weimarer Republik sichern und es gelang ihr, breite Teile der Gesellschaft von der Notwendigkeit ihrer Existenz zu überzeugen. Dienst wurde in Kraftwerken, in der Landwirtschaft, in der Lebensmittelwirtschaft, im Bergbau, im Transportgewerbe und in vielen anderen Branchen und Betrieben geleistet.

Besonders deutlich wird die Bedeutung der TN als Machtmittel des Staates am Beispiel des Eingreifens der TN während eines Druckerstreiks im November 1923. Mit Einsatz der Nothelfer konnte die „Rentenmark“, welche die Hyperinflation beenden half, rechtzeitig gedruckt werden. Die Nothelfer wurden, obwohl eigentlich Ehrenamtliche, mit denselben Löhnen wie die Arbeiter, die sie ersetzten, entlohnt.

Darüber hinaus musste der Betrieb, in dem sie eingesetzt waren, Unterkunft und Verpflegung stellen. Dies sollte verhindern, dass die Nothelfer als billige Arbeitskräfte ausgenutzt wurden, denn die Arbeitgeber versuchten regelmäßig die TN für sich einzuspannen.

Bei einem Einsatz infolge eines Streiks von Eisenbahnbeamten kamen Anfang Februar 1922 drei Nothelfer bei einem Unfall auf einem Berliner Bahnhof ums Leben. Um diese Nothelfer entstand ein regelrechter Totenkult. Ein Ehrenmal wurde auf dem Berliner Luisenfriedhof errichtet, an jedem Totensonntag dort eine Ehrenwache postiert und in der Zeitschrift der TN wurde regelmäßig an die Toten erinnert.

Genutzt wurde dieser Totenkult auch im Dritten Reich, wo er als Anknüpfung an ähnliche Rituale des NS-Staats diente. Auch das THW führte das Gedenken nach dem Krieg fort und das abgebaute Ehrenmal wurde in eine Gedenkstätte für im Einsatz Verunglückte beim Ortsverband Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf integriert.

1924 erreichte die TN mit 441.772 Angehörigen ihren höchsten Mitgliederstand. Bis 1925 blieben die Einsätze bei Streiks das größte Einsatzgebiet. Doch auch erste Einsätze bei Unglücken und Katastrophen, speziell bei Moor- und Waldbränden, wurden von der TN in diesem Zeitraum durchgeführt. Diese sollten wegweisend für die Tätigkeit der Organisation in den nächsten Jahren sein und entscheidend für die Sicherung der Existenz der Technischen Nothilfe.

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