Meine ganz private Klimabilanz, Teil IV

Björn Goerke
6 min readSep 24, 2019

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Teil III meiner ganz privaten Klimabilanz war ja ermutigend. “Echter” Ökostrom wird seitens des Umweltbundesamtes tatsächlich als nahezu emissionsfrei eingestuft. Darüber habe ich mich wirklich gefreut, da ich diese Art Strom schon lange Jahre beziehe.

Der vierte Teil wird leider deutlich weniger angenehm. Es geht um Mobilität. Ich hatte erwartet, dass es nicht gut wird, aber leider wurde es noch schlimmer. Der CO2-Rechner vom Umweltbundesamt ermöglicht die Unterteilung in Fahrten zur Arbeit, allgemeine Autofahrten, Bahn, Reisebus usw. Hier kann man eine ganze Menge von Verkehrsmitteln erfassen. Flüge werden separat erfasst.

Möglichkeiten der Fahrtenerfassung

Autos, die man regelmäßig fährt, kann man ganz spezifisch erfassen. Ich selbst fahre (noch) einen SUV. Damit stehe ich moralisch schon einmal ganz im Dunkeln. Allerdings muss man für die CO2-Bilanz prüfen, wieviel Verbrauch tatsächlich entsteht. Ich fahre defensiv und verbrauche “nur” 7,3l Diesel auf 100km (Euro 6d temp). Diesen Wert habe ich jetzt über ca. 75.000 km ziemlich konstant beibehalten. Natürlich könnte ich mit einem kleineren Fahrzeug weniger verbrauchen, aber ich denke, mit 7,3l dürfte man im gegenwärtigen Durchschnitt der Fahrzeuge, die auf der Straße sind, ganz gut dastehen.

Darauf möchte ich mich nicht ausruhen. Im Gegenteil. Das sind immer noch viel zu viele Emissionen. Mit dem Fahrzeug fahre ich etwas mehr als 20.000km pro Jahr. Der größere Teil ist geschäftlich. Für die privaten Fahrten veranschlage ich hier einfach einmal pauschal 10.000 pro Jahr, auch wenn es in der Realität weniger sind. Das macht bei 7,3l/100km dann

2,64kg CO2/l Diesel x 7,3l Diesel/100km x 10.000 km/Jahr = 1.927kg/Jahr

Da die Fahrten, die wir privat machen, fast alle mit einem vollbesetzten Auto geschehen, entfallen ca. 500 kg CO2/Jahr auf mich. Der CO2-Rechner veranschlagt etwas mehr, weil der Verbrauch des Fahrzeugs wahrscheinlich in der Datenbank höher hinterlegt ist.

Das Fahrzeug ist ein Geschäftswagen. Der Leasing-Vertrag läuft noch ca. zwei Jahre. Danach werde ich kein weiteres Fahrzeug mit Verbrennungsmotor mehr kaufen. Ich hatte jetzt mehrfach das Vergnügen, in einem Elektrofahrzeug mitfahren zu dürfen. Auf diesen Schritt freue ich mich. Sicherlich ist das Fahren mit einem E-Auto kein Verzicht. Das Laden der Akkus ist natürlich komplizierter als das normale Tanken. Aber soll das ein Grund sein, weiter unnötig umweltschädlich unterwegs zu sein? Bis vor kurzem hätte ich durchaus argumentiert, dass man sich auf die Leistung verlassen können muss. Mittlerweile sehe ich das anders.

Die beruflich gefahrenen Kilometer betrachte ich hier nicht. Sie fallen natürlich trotzdem an und verursachen CO2-Emissionen, aber die Reduzierung der geschäftlichen CO2-Emissionen läuft in unserer Firma in einem ähnlichen Projekt an. Deswegen trenne ich das hier.

Ins Büro fahre ich entweder mit der U-Bahn, dem Bus oder mit dem Fahrrad. Für diesen Mobilitätsaspekt wird ein verschwindend geringer CO2-Ausstoß berechnet. Da muss nichts weiter optimiert werden.

Bleiben die Flüge. Und hier wird es schnell gruselig. Zumindest für die Vergangenheit. Ich habe eine ganze Reihe Fernreisen unternommen und habe Tagesausflüge in Europa gemacht. Einfach weil es ging. Weil es mit Ryanair auch nur 20 € gekostet hat, nach London und zurück zu fliegen. Häufig war der Shuttle in die Stadt teurer als der Flug dorthin. Ein typisches Jahr in der Vergangenheit könnte ungefähr so ausgesehen haben:

1 Langstrecke mit Zubringer und 3 Kurzstrecken — jeweils hin und rück — pro Jahr

Das ist wirklich ernüchternd. Allein durch das Fliegen kommt man so auf einen höheren CO2-Ausstoß als durch alle anderen Lebensbereiche zusammen. In dem CO2-Rechner muss man die Flugstunden angeben. Ich habe hier einmal exemplarisch einen Langstreckenflug mit Zubringer und drei Kurzstreckenflüge angegeben (jeweils Hin- und Rückflug). Diese 28 Stunden in der Luft verursachen mehr als 6.000kg an CO2-Emissionen.

Dieses Jahr habe ich immer noch einige private Flüge gemacht. Aber das Bild ist schon besser. Die Emissionen sind so um 5/6 geringer als in dem beispielhaften Jahr.

3 Kurzstreckenflüge hin und zurück pro Jahr

Eine Kurzstrecke hin und zurück macht ungefähr 300kg CO2 aus (der stärkere Effekt des Ausstoßes in höheren Schichten der Atmosphäre ist hierbei bereits eingerechnet). Das ist nicht gut, aber die Langstrecke ist extrem. Wir hatten für das nächste Frühjahr überlegt, noch eine Fernreise zu machen, bevor wir an die Schulferien gebunden sind. Das hätte einen Ausstoß von 5.700kg CO2 bedeutet. Diese Reise wäre wirklich toll. Es wäre auch insbesondere ein Familienbesuch gewesen. Aber wir haben uns wegen der CO2-Emissionen dagegen entschieden. Werden wir nie wieder solche Reisen machen? Und überhaupt — werden wir diese Entscheidung durchziehen? Ich weiß es nicht. Aber stark reduzieren werden wir es auf jeden Fall. Für das kommende Jahr haben wir bislang noch keine Flugreise geplant. Sollten wir dabei bleiben, dann wäre das gut für die Bilanz, wie der Rechner auch unmissverständlich zeigt. Wie gesagt, die Frage ist, ob wir das durchhalten.

ohne jegliche private Flugreisen

Dieser Bereich stellt für mich persönlich den härtesten Verzicht dar. E-Auto? Ok. Ökostrom? Easy. Bessere Heizung? Kümmere ich mich jetzt drum. Aber Reisen? Das ist nicht einfach. Ich habe viel erlebt auf meinen Reisen. Es sind tolle Erinnerungen damit verbunden und ich möchte noch viel mehr von der Welt sehen. Aber ich stelle mir jetzt die Frage, ob dieser Verzicht wirklich so unerträglich ist, dass ich weiter das CO2 verursachen möchte. Ich kann das nicht mit ja beantworten. Ich komme heute zu dem Entschluss, dass ich Flüge massiv einschränken möchte. Ich habe mir einen Termin im Kalender gesetzt für Ende 2020. Dann werde ich prüfen, ob ich mich daran gehalten habe.

Ich weiß, dass das ein echtes “First-World-Problem” ist. Es ist im globalen Vergleich äußerst ungerecht, dass wir in den Industrieländern die Möglichkeit haben, ohne jegliche Sanktionen durch die Welt zu fliegen. Nicht einmal die Kompensation ist verpflichtend. Für eine Fernreise, wie wir sie eigentlich geplant hatten, kostet die Kompensation bei Gold Standard knapp 60 USD. Das sind aktuell ca. 55 €.

Wie gesagt, ein “First-World-Problem”. Aber in der First World eben auch real. Wenn Freunde über ihre Reisepläne sprechen, wird das Gefühl von Verzicht noch einmal größer. Ich frage mich, wie man in 3, 5, 10 und 20 Jahren jeweils über dieses Empfinden von Verzicht denkt. Heute ist das Gefühl von Verzicht jedenfalls so groß, dass ich von fast niemanden höre, dass er oder sie auch ähnliche Entscheidungen treffen würde — wobei sich gerade ein Wandel vollzieht.

Der Abschnitt der Mobilität war wirklich ernüchternd. Der Hebel ist Riesengroß. Das ist die gute Nachricht. Aber dieser Verzicht schmerzt tatsächlich.

Interesse an den eigenen Zahlen? Hier noch einmal der Hinweis auf den CO2-Rechner: https://uba.co2-rechner.de/de_DE

Im nächsten Teil geht es weiter mit der Ernährung.

Alles beginnt mit einer Bestandsaufnahme. In einer siebenteiligen Serie gehe ich die Lebensbereiche durch, in denen ich relevant CO2-Emissionen verursache. Ich will erst einmal verstehen, wo ich denn den größten Hebel habe. Die Teile veröffentliche ich nach und nach.

Teil 1: Meine ganz private Klimabilanz — Los geht’s

Teil 2: Meine ganz private Klimabilanz — Heizung

Teil 3: Meine ganz private Klimabilanz — Strom

Teil 4: Meine ganz private Klimabilanz — Mobilität

Teil 5: Meine ganz private Klimabilanz — Ernährung

Teil 6: Meine ganz private Klimabilanz — sonstiger Konsum

Teil 7: Meine ganz private Klimabilanz — Fazit

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Björn Goerke

CEO of SaaS company Gpredictive. A.I. software for the customer journey