Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten — Teil 4

Andrea Demaria
8 min readApr 5, 2023

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Respekt vor der Umwelt

Auch neue Generationen benötigen ein Zuhause (unsplash.com, Andrew Mead)

Für Pioniere, die sich engagieren

Engagierst du dich auch in Vereinen oder Initiativen und fühlst dich manchmal wie David gegen Goliath: wirksam, ja, aber nie genug, um die großen Herausforderungen anzugehen? Bist du bereit, alte Denkmuster zu überwinden und neue Wege zu beschreiten?

Wir von One-X glauben, dass das aktuelle Wirtschaftssystem die Probleme, die es verursacht, kaum lösen kann und haben uns in den letzten Jahren mit der Entwicklung eines neuen, praktikablen Wirtschaftssystems beschäftigt. In unserem ersten Artikel haben wir die Herausforderungen und Grundlagen dieses neuen Paradigmas beschrieben, und wir möchten dich hier weiter in das Konzept einführen und dich einladen, an dieser Arbeit mitzuwirken.

Wir suchen Mitgestalter, die One-X in realen Kontexten zum Leben erwecken, wo das neue Wirtschaftssystem getestet und angewendet werden kann. Nach zwei Jahren Proof-of-Concept glauben wir, dass One-X nun ein ausgereiftes Konzept ist, bei dem die meisten Aspekte ausgearbeitet sind.

Fünf Qualitäten zur Lösung unserer Herausforderungen

Die dringlichsten Probleme des bestehenden globalen Wirtschaftssystems sind zum einen die wachsende soziale Ungleichheit und zum anderen die übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen.

One-X bietet Menschen und Vorhaben ein offenes Netzwerk an, um gemeinsam unsere Herausforderungen zu lösen. In One-X arbeiten wir auf Augenhöhe zusammen, ohne jeglichen Zwang. Je mehr Vertrauen wir untereinander aufbauen, desto wirksamer kann die Zusammenarbeit werden.

Das langfristige Ziel von One-X ist es, gemeinsam die Bedürfnisse aller Menschen auf der Welt zu erfüllen. Dies klingt zunächst nach einem utopischen Ziel, aber One-X bietet uns den idealen Experimentierraum, um durch fünf neue Qualitäten diesem Ziel Schritt für Schritt näherzukommen:

Die Qualitäten werden durch die konsequente Implementierung von zehn Prinzipien erreicht, zwei für jede Qualität, die wir in dieser Artikelserie ausführlich beschreiben.

Die dritte Qualität, auf die wir jetzt näher eingehen werden, sorgt für eine bedarfsorientierte Verteilung der Ressourcen, damit diese dorthin kommen, wo sie höchst wirkungsvoll eingesetzt werden. Die beiden hier folgend beschriebenen Prinzipien ermöglichen es, diese Qualität zu erreichen.

Es gibt mehr für alle, wenn wir Ungenutztes weitergeben (unsplash.com, Reiseuhu)

5. Prinzip: Verwende wieder, was vorhanden ist

Um ein gutes Leben zu führen, wollen wir die Produkte und Dienstleistungen kaufen, die unseren Bedürfnissen entsprechen. Für den Kauf von Produkten, deren Herstellung besonders ressourcenintensiv ist (z. B. Autos oder Immobilien) und die entsprechend viel Geld kosten, holen wir uns üblicherweise Finanzierungshilfe von Banken. Der Kauf und Verkauf dieser besonders teuren Objekte ist meistens mit viel Aufwand verbunden, z.B. Hürden beim Eigentumsübergang und es besteht das Risiko, den Wert am Markt nicht realisieren zu können. Deshalb ist es im heutigen Wirtschaftssystem üblich, diese Objekte erst dann zu verkaufen, wenn man entweder Kapital benötigt oder sicher ist, dass man sie in Zukunft nicht mehr braucht. Manche warten sogar noch länger mit dem Verkauf, um mehr Gewinn zu erzielen. Dies lässt sich gut in Städten beobachten, in denen ein Teil der Gebäude leer steht, während der Bedarf an Wohnungen und Büros weiter steigt. Viele häufen also als Absicherung für möglichen künftigen Bedarf oder aus Spekulation mehr Eigentum an, als sie im Moment nutzen können.

In One-X erkennen wir an, dass die natürlichen Ressourcen auf unserem Planeten begrenzt sind und je mehr wir individuell anhäufen, desto weniger haben andere zur Verfügung, um ebenfalls ein gutes Leben zu führen. Wenn jeder von uns nur so viel nehmen würde, wie er oder sie zu einem bestimmten Zeitpunkt braucht, dann könnten mehr Bedarfe gedeckt werden. Oder andersherum: Jeder könnte ein ähnlich gutes Leben mit weniger Ressourcenverbrauch und geringerer Umweltbelastung führen. One-X Mitglieder nehmen daher nur die Ressourcen zu sich, die sie auch tatsächlich benötigen. Ungenutzte Produkte, die wiederverwendet werden könnten, stehen allen anderen zur Verfügung und können zu diesem Zeitpunkt an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden.

Wie haben wir dieses Prinzip konkret umgesetzt?

In One-X wird das Eigentum für alle Produkte, die weiterverwendet werden können, nur für eine begrenzte Zeit vergeben und durch Miete bezahlt. Dies hat mehrere positive Auswirkungen. Zum einen müssen die Verbraucher nicht mehr ihr gesamtes Kapital aufwenden, um etwas von großem Wert zu besitzen. Zum anderen gibt es in der Regel mehr Optionen und die vorhandenen Produkte werden besser genutzt, sodass weniger natürliche Ressourcen verbraucht werden müssen. Wenn das Gemietete beschädigt wird oder verloren geht, ist es auch einfach, auf ein anderes Produkt umzusteigen. Alle wiederverwendbaren Produkte werden von der institutionelle Entität Markt auf einem transparenten Marktplatz zur Miete den Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise erhält jedes Mitglied die Produkte, die es am meisten braucht, und zahlt nur für die Zeit, in der diese tatsächlich einen Nutzen bringen.

Manche glauben, dass das nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Es ist zu aufwändig, für alle Produkte Miete zu bezahlen”. Wir antworten: In One-X kaufen die Mitglieder nicht wiederverwendbare Güter wie Essen oder Energie. Nur wo es sich lohnt, werden Ressourcen durch Vermieter am Markt angeboten.
  • “Die Mitglieder könnten keine persönlichen Objekte haben, da vieles nur gemietet werden kann”. Wir antworten: man kann persönliche Objekte behalten, solange man bereit ist, dafür Miete zu bezahlen, da es sich um einen nachvollziehbaren Bedarf handelt.

Stell dir aber jetzt vor, jedes Mitglied holt in einem offenen Markt für sich nur das, was es gerade nutzt und der Rest bleibt für alle anderen verfügbar

  • Dann können hochwertige, langlebige Produkte günstiger von mehr Mitgliedern genutzt werden. Dadurch wird weniger produziert und die Umwelt weniger belastet.
  • Dann sind die Ressourcen für Mitglieder durch Miete bei Bedarf erschwinglich. Wir können aus einer größeren Vielfalt wählen.
  • Dann können wir mit gutem Gewissen konsumieren, wohl wissend, dass das, was wir nutzen, anderen weniger fehlen wird.
Märkte finden den für Angebot und Nachfrage passenden Preis (unsplash.com, Cytonn Photography)

6. Prinzip: Verteile Ressourcen nach Wirkung

In unserem derzeitigen Wirtschaftssystem werden Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt angeboten und dem Höchstbietenden zugeordnet. Wenn dieser Mechanismus jedoch versagt, wird oft die Zuteilung durch ad hoc definierte Regeln und Gesetze gesteuert. Je öfter die Märkte versagen, desto häufiger greift man auf diese Art von zentraler Steuerung zurück.

Große Marktteilnehmer haben verschiedene Möglichkeiten, ihren Marktbereich zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass Verkäufer Monopole bilden, um in segmentierten und undurchsichtigen Märkten das Angebot künstlich zu verknappen. Ein Beispiel dafür ist die Praxis, kleinere Wettbewerber durch billige Preise aus dem Markt zu drängen, um danach die eigenen Preise zu erhöhen. Auf der anderen Seite, könne große Einkaufsmächte ihren Einfluss nutzen, um Lieferanten zu zwingen, unter den eigentlichen Wert zu verkaufen. Ein Beispiel dafür ist die Praxis von Großunternehmen, lange Zahlungsziele und unausgewogene allgemeine Geschäftsbedingungen bei kleineren Lieferanten durchzusetzen.

Diese Marktverzerrungen finden sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen Ländern statt. Wenn die Auswirkungen davon besonders auffällig werden — wie in der derzeitigen Energiekrise — greifen Regierungen ein und setzen Auflagen, Steuererleichterungen und Verbote ein. Diese Regulierungen untergraben das Vertrauen in den Märkten und können oft ihre beabsichtigte Wirkung nicht entfalten, weil sie erst in Kraft treten, wenn sich die Lage am Markt bereits weiterentwickelt hat.

In One-X setzen wir auf einen Markt, in dem es strukturell nicht möglich ist, unter den eigenen Kosten anzubieten und in dem keine Sonderkonditionen für einzelne Marktteilnehmer durchgesetzt werden können. Die Entscheidung über den Preis wird von einer neutralen Entität bestimmt und die Angebote sind grundsätzlich offen und für alle Marktteilnehmer gültig. Diese neue Art von Märkten führt zu einer hocheffizienten Verteilung von Ressourcen ohne Notwendigkeit für weitere externe Steuerung.

Wie haben wir dieses Prinzip konkret umgesetzt?

Bei One-X haben alle Mitglieder Zugang zu Ressourcen, Produkten und Dienstleistungen über einen internen Markt, der transparent und einfach zu navigieren ist. Ähnlich wie bei Auktionen erhalten alle Mitglieder die gleichen Chancen, diese zu den gleichen Bedingungen zu erwerben. Ohne weiteres Zutun der Verkäufer bietet die Institutionelle Entität Markt den Käufern innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens die Möglichkeit, die Ware nach ihrem eigenen Nutzen zu ersteigern. Der durch die Ware generierte monetäre Mehrwert wird letztlich dem Anbieter zugerechnet und ist entscheidend für die Höhe seiner zukünftigen Investitionen. So können die Märkte ihre Funktion effektiv und ohne Verzerrungen und zusätzliche Kontrollen erfüllen.

Manche glauben, dass das nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Knappe Waren führen trotzdem zur Monopolstellung derjenigen, die sie anbieten”. Wir antworten: Auch aus diesem Grund werden Ressourcen von der Institutionellen Entität Markt angeboten, statt vom Hersteller. Der erzielte Erlös wird dem Hersteller zugeschrieben.
  • “Es ist viel zu aufwändig, alles in einem riesigen, globalen Markt anzubieten”. Wir antworten: Ebay zeigt, dass dies automatisiert werden kann. Zudem können auch Untermärkte im Gesamtmarkt eingebunden werden, solange diese zueinander kompatibel bleiben.

Stell dir aber jetzt vor, wir hätten auf einen Blick und ohne Beschränkungen Zugriff zu den für uns passenden Angeboten und keine Planwirtschaft die Märkte beeinflussen würde:

  • Dann hätten Unternehmen keine Möglichkeit, durch Marktmanipulationen Vorteile für sich zu erlangen. Sie würden sich auf die Verbesserung der Produkte fokussieren.
  • Unterpreisverkäufe, Werbeangebote und Sonderrabatte zur Beeinflussung unseres Kaufverhaltens würden dann der Vergangenheit angehören.
  • Dann würden wir uns nicht mehr damit beschäftigen, nicht funktionierende Märkte ständig zu kompensieren, mit großer Ersparnis von Aufwand und Ressourcen

Gemeinsam das neue System gestalten

Wir haben in den letzten Jahren den Mehrwert der fünf Qualitäten immer deutlicher erfahren, und wir wissen, es bleibt noch viel mehr zu entdecken. Siehst du auch dieses Potenzial?

Wenn diese Themen für dich relevant sind, laden wir dich ein, weitere Artikel dieser Serie zu lesen. Alle Artikel sind unten verlinkt.

Wenn du dir noch nicht sicher bist, ob diese Themen für dich relevant sind, haben wir die Möglichkeit einer kurzen persönlichen Reflexion vorbereitet und bieten sie jedem Leser an. Kontaktiere uns auch gerne persönlich unter info@one-x.org und wir werden zügig antworten.

Wir freuen uns über Pioniere, die ihre Prinzipien, Praktiken und Erfahrungen mit uns teilen und gemeinsam an der Entwicklung eines neuen Wirtschaftssystems für eine breitere Anwendung arbeiten wollen. Wir laden dich ein, dich uns im One-X Workshop anzuschließen, einem virtuellen Raum, in dem Pioniere des neuen Systems experimentieren, voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen können.

Wir freuen uns, von dir zu hören!

Andrea Demaria & Tobias Bantzhaff

Artikel der Serie Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten:
- Teil 1: Auf dem Weg zu einer neuen Vision
- Teil 2: Freiwilliges Engagement
- Teil 3: Peer Empowerment
- Teil 4: Respekt vor der Umwelt (dieser Artikel)
- Teil 5: Zweckgerichtete Investitionen
- Teil 6: Faire Beteiligung
- Teil 7: Ein Weg zur neuen Wirtschaft
- Teil 8: Grundlagen von One-X (noch nicht veröffentlicht)

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Andrea Demaria

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