Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten — Teil 3

Andrea Demaria
7 min readMar 30, 2023

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Peer Empowerment

Mit mehr Überblick treffen wir bessere Entscheidungen (unsplash.com, Kristaps Grundsteins)

Für Pioniere, die sich engagieren

Engagierst du dich auch in Vereinen oder Initiativen und fühlst dich manchmal wie David gegen Goliath: wirksam, ja, aber nie genug, um die großen Herausforderungen anzugehen? Bist du bereit, alte Denkmuster zu überwinden und neue Wege zu beschreiten?

Wir von One-X glauben, dass das aktuelle Wirtschaftssystem die Probleme, die es verursacht, kaum lösen kann und haben uns in den letzten Jahren mit der Entwicklung eines neuen, praktikablen Wirtschaftssystems beschäftigt. In unserem ersten Artikel haben wir die Herausforderungen und Grundlagen dieses neuen Paradigmas beschrieben, und wir möchten dich hier weiter in das Konzept einführen und dich einladen, an dieser Arbeit mitzuwirken.

Wir suchen Mitgestalter, die One-X in realen Kontexten zum Leben erwecken, wo das neue Wirtschaftssystem getestet und angewendet werden kann. Nach zwei Jahren Proof-of-Concept glauben wir, dass One-X nun ein ausgereiftes Konzept ist, bei dem die meisten Aspekte ausgearbeitet sind.

Fünf Qualitäten zur Lösung unserer Herausforderungen

Die dringlichsten Probleme des bestehenden globalen Wirtschaftssystems sind zum einen die wachsende soziale Ungleichheit und zum anderen die übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen.

One-X bietet Menschen und Vorhaben ein offenes Netzwerk an, um gemeinsam unsere Herausforderungen zu lösen. In One-X arbeiten wir auf Augenhöhe zusammen, ohne jeglichen Zwang. Je mehr Vertrauen wir untereinander aufbauen, desto wirksamer kann die Zusammenarbeit werden.

Das langfristige Ziel von One-X ist es, gemeinsam die Bedürfnisse aller Menschen auf der Welt zu erfüllen. Dies klingt zunächst nach einem utopischen Ziel, aber One-X bietet uns den idealen Experimentierraum, um durch fünf neue Qualitäten diesem Ziel Schritt für Schritt näherzukommen:

Die Qualitäten werden durch die konsequente Implementierung von zehn Prinzipien erreicht, zwei für jede Qualität, die wir in dieser Artikelserie ausführlich beschreiben.

In unserem zweiten Artikel haben wir die Prinzipien vorgestellt, die eine flexible Vernetzung von Mitgliedern und Initiativen überhaupt erst ermöglichen. Hier stellen wir nun die nächsten beiden Prinzipien vor, die die Wiederherstellung der individuellen Handlungsfähigkeit gewährleisten.

Viele Informationen bedeuten nicht gleich mehr Transparenz (unsplash.com, Franki Chamaki)

3. Prinzip: Verteile unvoreingenommene Informationen

Um gute Entscheidungen zu treffen, brauchen wir unvoreingenommene Klarheit über die Vorteile und Nachteile der verfügbaren Alternativen. Die Qualität unserer Entscheidungen ist ausschlaggebend für unsere Effizienz und ganz allgemein für die Qualität unseres Lebens. Im derzeitigen System ist es oft sehr mühsam, aussagekräftige Informationen zu erhalten. Bei Kaufentscheidungen zum Beispiel erhalten wir viele Informationen durch Werbung, die jedoch sorgfältig ausgewählt wurden, um unsere Entscheidungen zugunsten des Verkäufers zu beeinflussen. Wenn wir eine Versicherung abschließen, ist es für uns fast unmöglich, die damit verbundenen Risiken genau abzuschätzen. Auch bei Wahlen schaffen wir es kaum, ausreichende Transparenz über die Kandidaten zu bekommen. Aber das muss nicht so sein.

Unser Ziel bei One-X ist es, jedem Mitglied den Zugang zu den Informationen zu ermöglichen, die es braucht, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Wir tun dies, indem wir uns auf die Interessen und Bedürfnisse der Endverbraucher und nicht auf die der Anbieter konzentrieren. In diesem Sinne werden alle relevanten Informationen, einschließlich zum Beispiel den möglichen Problemen und Nachteilen eines Produktes oder einer Dienstleistung, grundsätzlich offengelegt. Nur wenn die Informationen persönlicher Natur sind oder die Gefahr eines Missbrauchs besteht, werden sie nicht veröffentlicht. Mit diesen Informationen ausgestattet, wird dem Verbraucher die Suche nach oder der Vergleich von geeigneten Alternativen stark vereinfacht.

Wie haben wir dieses Prinzip beispielhaft bei Waren konkret umgesetzt?

In One-X stellen die Anbieter der Institutionellen Entität Markt alle relevanten Informationen über die Eigenschaften der Waren, die sie verkaufen wollen, zur Verfügung. Auch die gesamten Herstellungskosten inklusive der zu erwartenden Recyclingkosten werden offen kommuniziert und bilden den Referenzpreis. Auf dieser Grundlage bereitet die Institutionelle Entität Markt eine aussagekräftige Kommunikation für die Verbraucher vor und bietet die Waren zunächst zum Referenzpreis an. In der Folge kann die Institutionelle Entität Markt den Preis nur durch Angebot und Nachfrage weiter anpassen. Ziel ist es, den höchstmöglichen Preis in einer angemessenen Zeit zu erzielen. Dies setzt voraus, dass potenzielle Käufer den Wert eines Gutes erkennen können und dieser Wert auch zeitnah realisiert wird. Dadurch wird die Effektivität des Wareneinsatzes maximiert. Letztendlich bestimmen die Endverbraucher über die tatsächliche Wirksamkeit von Ressourcen und Produkten, indem sie mit vergleichbarer Kaufkraft sich für oder gegen einen Kauf entscheiden.

Manche glauben, dass das nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Wie sollen Unternehmen ohne Preiskontrolle planen und wirtschaften?”. Wir antworten: Man konzentriert sich auf die Qualität als den Mehrwert für den Kunden, d.h. auf die Erfüllung der Kundenbedürfnisse. Den Rest macht die Institutionelle Entität Markt.
  • “Ohne Marketing können Unternehmen ihre eigenen Kunden gar nicht gut kennen.” Wir sagen: Der Markt bietet jedem umfassende Informationen auch über das Kaufverhalten der Kunden, sowohl für die eigenen Produkte als auch für die der Konkurrenz.

Nun stellen Sie sich einmal vor, die Preisgestaltung und das Marketing würden der Wertmaximierung für den Verbraucher statt der Gewinnmaximierung für die Anbieter dienen:

  • Dann würde Werbung informativer, zielgerichteter und am Ende wesentlich zurückhaltender eingesetzt. Das würde erhebliche Ressourcen für sinnvollere Aufgaben freisetzen.
  • Dann könnte der Markt den Wert von Produkten durch direkten Vergleich für jeden transparent machen, was letztlich zu einer besseren Auswahl führen würde.
  • Dann würden Produkte die Verbraucher erreichen, die ihre Bedürfnisse am stärksten befriedigen. Unser Wohlstand würde wachsen.
Ähnliche Strukturen vereinfachen den Vergleich und die Einschätzung (unsplash.com, Erol Ahmed)

4. Prinzip: Implementiere durchgängige Organisationen

Unser Wissen nimmt zu und die Welt wird immer komplexer. Oft finden wir nicht die Zeit, uns ausreichend mit Dingen zu beschäftigen, die unser Leben maßgeblich beeinflussen können. Arbeitsverträge sind für jeden Arbeitgeber anders, Steuersysteme stecken voller Ausnahmen und Sonderregelungen, Sozialleistungen sind überall etwas anders geregelt, Geschäftsbedingungen sind in jedem Unternehmen speziell formuliert. Wir müssten uns jedes Mal mit alledem auseinandersetzen, um die Bedeutung davon zu verstehen beziehungsweise das sinnvoll zu nutzen, aber das ist in der Regel nicht möglich.

Bei One-X haben wir erkannt, dass die Verwendung einiger weniger konsistenter Strukturen die Nachvollziehbarkeit der Wirtschaft und Gesellschaft erhöht. Das macht es für Mitglieder einfacher, sich in diesen Strukturen zurechtzufinden und mit ihnen zu arbeiten. Außerdem gestalten wir die mehrfach verwendeten Strukturen so einfach und verbraucherfreundlich wie möglich, damit sie die größtmögliche Wirkung entfalten können. Insbesondere gestalten wir die Strukturen des Netzwerks von Initiativen und Mitgliedern im Wesentlichen wie ein Fraktal. Kleine Gruppen von Mitgliedern nutzen die gleichen Strukturelemente wie Gruppen von Gruppen und so weiter bis hin zum gesamten Wirtschaftssystem. Dies ermöglicht es den Mitgliedern, sich auf jeder Ebene leicht zurechtzufinden, sodass sie sich mehr auf ihre eigenen Ziele und weniger auf die Besonderheiten der verschiedenen Strukturen konzentrieren können.

Wie haben wir dieses Prinzip konkret umgesetzt?

In One-X ist jede Initiative und jede Mitgliedergruppe als Holon organisiert. Das bedeutet, dass sie sowohl als unabhängige Einheiten als auch als Teile einer größeren Einheit funktionieren können. Jede Einheit verfügt über die vier Institutionellen Entitäten von One-X (Identität, Markt, Balance und Gutes Leben, siehe unser Artikel über Herausforderungen und Grundsätze). Diese vier Institutionellen Entitäten zusammen ermöglichen zum einen eine effektive Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern innerhalb der Einheit und zum anderen eine gut abgestimmte Zusammenarbeit über verschiedene Einheiten und Ebenen hinweg.

Um die Zusammenarbeit über mehrere Ebenen hinweg zu unterstützen, teilen Institutionelle Entitäten an der Basis die notwendigen Informationen mit Institutionellen Entitäten auf höheren Ebenen und delegieren vertrauensvoll die Ausführung ihrer eigenen Aufgaben dorthin. Dies erhöht die Effizienz durch Skaleneffekte und sorgt für mehr Vergleichbarkeit und Fairness zwischen allen delegierenden Holonen.

Manche glauben, dass das nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Unterschiedliche Gruppengrößen brauchen unterschiedliche Strukturen. Es ist Unsinn, alle gleich zu gestalten.” Wir sagen: Gleichartige Strukturelemente werden unterschiedlich ausgeprägt sein, abhängig unter anderem von der Gruppengröße.
  • “Damit schränken wir die Freiheit ein, neue Organisationsformen zu kreieren”. Wir sagen: Wenn eine Gruppe andere Strukturelemente braucht, kann sie diese einführen, sofern der Bezug zu den institutionellen Strukturelementen eindeutig bleibt.

Stell dir aber jetzt vor, es wäre in vielen Organisationen einfach zu verstehen, wer die Ansprechpartner für welche Anliegen sind und was von ihnen erwartet werden kann:

  • Dann bräuchte man kein Kleingedrucktes mehr, und es wäre einfacher, Lösungen zu finden, weil alle von einer bekannten und klar definierten Basis ausgehen würden.
  • Die Erledigung von Aufgaben könnte dann, wenn es sinnvoll ist, einfach an gruppenübergreifende Funktionen nach dem Subsidiaritätsprinzip delegiert werden und damit effizienter erfolgen.
  • Wir würden dann weniger Zeit in die Definition und das Erlernen neuer Strukturen investieren. Wir könnten einfacher und flexibler zwischen Gruppen und Initiativen hin und her wechseln.

Gemeinsam das neue System gestalten

Wir haben in den letzten Jahren den Mehrwert der fünf Qualitäten immer deutlicher erfahren, und wir wissen, es bleibt noch viel mehr zu entdecken. Siehst du auch dieses Potenzial?

Wenn diese Themen für dich relevant sind, laden wir dich ein, weitere Artikel dieser Serie zu lesen. Alle Artikel sind unten verlinkt.

Wenn du dir noch nicht sicher bist, ob diese Themen für dich relevant sind, haben wir die Möglichkeit einer kurzen persönlichen Reflexion vorbereitet und bieten sie jedem Leser an. Kontaktiere uns auch gerne persönlich unter info@one-x.org und wir werden zügig antworten.

Wir freuen uns über Pioniere, die ihre Prinzipien, Praktiken und Erfahrungen mit uns teilen und gemeinsam an der Entwicklung eines neuen Wirtschaftssystems für eine breitere Anwendung arbeiten wollen. Wir laden dich ein, dich uns im One-X Workshop anzuschließen, einem virtuellen Raum, in dem Pioniere des neuen Systems experimentieren, voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen können.

Wir freuen uns, von dir zu hören!

Andrea Demaria & Tobias Bantzhaff

Artikel der Serie Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten:
- Teil 1: Auf dem Weg zu einer neuen Vision
- Teil 2: Freiwilliges Engagement
- Teil 3: Peer Empowerment (dieser Artikel)
- Teil 4: Respekt vor der Umwelt
- Teil 5: Zweckgerichtete Investitionen
- Teil 6: Faire Beteiligung
- Teil 7: Ein Weg zur neuen Wirtschaft
- Teil 8: Grundlagen von One-X (noch nicht veröffentlicht)

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Andrea Demaria

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