Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten — Teil 2

Andrea Demaria
6 min readMar 23, 2023

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Freiwilliges Engagement

Menschen und Initiativen sind wie in einem Sonnensystem verbunden (unsplash.com, DeepMind)

Für Pioniere, die sich engagieren

Engagierst du dich auch in Vereinen oder Initiativen und fühlst dich manchmal wie David gegen Goliath: wirksam, ja, aber nie genug, um die großen Herausforderungen anzugehen? Bist du bereit, alte Denkmuster zu überwinden und neue Wege zu beschreiten?

Wir von One-X glauben, dass das aktuelle Wirtschaftssystem die Probleme, die es verursacht, kaum lösen kann und haben uns in den letzten Jahren mit der Entwicklung eines neuen, praktikablen Wirtschaftssystems beschäftigt. In unserem ersten Artikel haben wir die Herausforderungen und Grundlagen dieses neuen Paradigmas beschrieben, und wir möchten dich hier weiter in das Konzept einführen und dich einladen, an dieser Arbeit mitzuwirken.

Wir suchen Mitgestalter, die One-X in realen Kontexten zum Leben erwecken, wo das neue Wirtschaftssystem getestet und angewendet werden kann. Nach zwei Jahren Proof-of-Concept glauben wir, dass One-X nun ein ausgereiftes Konzept ist, bei dem die meisten Aspekte ausgearbeitet sind.

Fünf Qualitäten zur Lösung unserer Herausforderungen

Die dringlichsten Probleme des bestehenden globalen Wirtschaftssystems sind zum einen die wachsende soziale Ungleichheit und zum anderen die übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen.

One-X bietet Menschen und Vorhaben ein offenes Netzwerk an, um gemeinsam unsere Herausforderungen zu lösen. In One-X arbeiten wir auf Augenhöhe zusammen, ohne jeglichen Zwang. Je mehr Vertrauen wir untereinander aufbauen, desto wirksamer kann die Zusammenarbeit werden.

Das langfristige Ziel von One-X ist es, gemeinsam die Bedürfnisse aller Menschen auf der Welt zu erfüllen. Dies klingt zunächst nach einem utopischen Ziel, aber One-X bietet uns den idealen Experimentierraum, um durch fünf neue Qualitäten diesem Ziel Schritt für Schritt näherzukommen:

Die Qualitäten werden durch die konsequente Implementierung von zehn Prinzipien erreicht, zwei für jede Qualität, die wir in dieser Artikelserie ausführlich beschreiben.

Hier stellen wir nun die beiden Prinzipien vor, die eine flexible Vernetzung von Menschen und Initiativen ermöglichen.

Vertrauen ist die Basis der Vernetzung (unsplash.com, Patrick Hendry)

1. Prinzip: Verpflichte dich denen, denen du vertraust

In den Vorhaben, in denen wir uns engagieren, streben wir eine entspannte Zusammenarbeit an, in der wir uns auch in schwachen Momenten geschätzt fühlen und unsere Interessen respektiert werden. Um das zu gewährleisten, binden wir uns im derzeitigen System oft an starre, streng reglementierte Geschäftsbeziehungen. Detaillierte Verträge und Gesetze können uns dabei zwar helfen, aber sie machen auch die Anpassung an die sich stetig verändernden Realitäten schwierig und zeitaufwendig.

In One-X erkennen wir, dass es in einem Kreis von Vertrauten einfacher und flexibler ist, unsere Geschäftsbeziehungen unter Berücksichtigung aller Interessen zu gestalten. Jedes Mitglied bestimmt daher jederzeit und ohne Hürden, ob und wie stark es sich gegenüber anderen Menschen in Initiativen verpflichtet, basierend auf dem gegenseitigen Vertrauen. Mit vertrauenswürdigen Partnern können Mitglieder gemeinsam nach der passenden Art der Zusammenarbeit suchen und diese ohne unnötige Formalitäten angehen. Und wenn keine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann, dann können wir immer aus Geschäftsbeziehungen ohne Gefahr aussteigen.

Wie haben wir dieses Prinzip konkret umgesetzt?

In One-X können neue Mitglieder jederzeit einer Initiative beitreten oder bestehende Mitglieder aus einer Initiative austreten. Dabei gibt es klare und für alle geltende Bedingungen, ohne Hindernisse. Die Aufnahme erfolgt auf der Basis von Vertrauen und der Annahme, dass die vereinbarten Bedingungen innerhalb der Initiative respektiert und eingehalten werden.

Sollte das Vertrauen durch Nichteinhaltung der Bedingungen sinken, kann eine Trennung durch eine dritte Instanz, die Institutionelle Entität “Identität”, eingeleitet werden. Die Interessen der Beteiligten werden dabei weiterhin angemessen berücksichtigt. Dies ermöglicht den Mitgliedern, sich auf die gemeinsame Wirkung zu konzentrieren, anstatt sich auf ihre eigene Absicherung zu konzentrieren.

Manche glauben, dass dies nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Man kann niemandem wirklich vertrauen”. Wir sagen: Manche finden es akzeptabel, auf Kosten von anderen das Beste für sich selbst zu holen. Die transparenten Bedingungen von One-X motivieren aber jedes Individuum, dieses Verhalten zu ändern.
  • “Leute werden ausgegrenzt, die es nicht schaffen, immer vertrauenswürdig zu sein”. Wir sagen: Vertrauenswürdig in diesem Kontext bedeutet wohlwollend zu deinen Mitmenschen zu sein und jeder kann das lernen. Es geht nicht um Perfektion oder Leistung.

Stell dir aber jetzt vor, wir wurden nur mit vertrauenswürdigen Personen zusammenarbeiten, die unsere Bedürfnisse und Interessen wirklich ernst nehmen:

  • Dann sind wir entspannter. Bei unterschiedlichen Interessen werden wir schneller Lösungen finden, ohne immer für eine perfekt faire Aufteilung kämpfen zu müssen.
  • Dann sind wir authentischer. Wir können offener mitteilen, was wir brauchen und fühlen, wir lernen mehr voneinander und wachsen als Gruppe und als Person.
  • Dann investieren wir die Energie in die Verwirklichung unserer Ziele, die vorher in den Schutz und die Verteidigung gegen andere gesteckt wurde.
Integration von Interessen bringt mehr als Konfliktlösungen (unsplash.com, Clay Banks)

2. Prinzip: Integriere unterschiedliche Interessen

Wenn Entscheidungen Auswirkungen auf viele haben, sollten die Interessen aller betroffenen Parteien angemessen berücksichtigt werden. Oftmals werden solche Entscheidungen von Personen getroffen, die zwar durch demokratische Wahl oder Machthierarchien befugt sind, jedoch auch einseitig beeinflusst werden oder Interessenkonflikte haben. In diesem System werden nicht immer alle Interessen transparent berücksichtigt und Lobbyisten sorgen oft dafür, dass Entscheidungen getroffen werden, die nur von Minderheiten befürwortet werden.

In One-X ist uns bewusst, dass Interessenkonflikte, egal ob offen oder versteckt, von der Suche nach wirksamen Lösungen ablenken und die Qualität von Entscheidungen beeinträchtigen können. Daher minimieren wir Interessenkonflikte und integrieren, wo diese unvermeidbar sind, transparent die Interessen aller beteiligten Mitglieder. So treffen wir sinnvollere Entscheidungen und erhöhen das Vertrauen zwischen den Menschen.

Wie haben wir dieses Prinzip konkret umgesetzt?

Die transparente und für alle Mitglieder nachvollziehbare Vergütung bei One-X minimiert die Chancen einer persönlichen Vorteilsnahme. Die eigene Macht als Mitglied hängt direkt vom Vertrauen der anderen Menschen ab. Es gibt also weniger Möglichkeiten, die eigene Position für die eigenen Interessen zu missbrauchen. Wenn aber unterschiedliche Interessen konkurrieren, stellen vier Institutionelle Entitäten (Identität, Markt, Balance und Gutes Leben), deren Vertreter von den Mitgliedern unabhängig voneinander gewählt werden, eine faire und nachvollziehbare Integration dieser Interessen sicher. Hierfür wird ein integrativer Entscheidungsprozess genutzt.

Manche glauben, dass dies nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Unabhängig von der Methode, akzeptiert niemand gerne Lösungen gegen die eigenen Interessen”. Wir sagen: Wenn der Entscheidungsprozess es ermöglicht, eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden, dann wird diese auch umgesetzt.
  • ”Machtansprüche führen zu Konflikten, die nicht inhaltlich gelöst werden können”. Wir sagen: Machtkonflikte werden in der Tat eher durch Vertrauen und Beziehungsarbeit gelöst. In One-X werden sie explizit außerhalb des Entscheidungsprozesses adressiert.

Stell dir aber jetzt vor, unsere Interessen wären immer passend berücksichtigt und wir hätten keine Nachteile aus Interessenkonflikten zu befürchten:

  • Dann können wir uns bei unterschiedlichen Interessen auf unsere Sicht fokussieren und dafür sorgen, dass die gefundenen Lösungen wirklich für alle passen.
  • Dann müssen wir nicht allein zwischen den eigenen Interessen und dem Gemeinwohl wählen oder gleich unsere Ansprüche aufgeben.
  • Dann finden wir zusammen kreative, sinnvollere Lösungen, anstatt am Ende Gewinner und Verlierer zu haben oder faule Kompromisse.

Gemeinsam das neue System gestalten

Wir haben in den letzten Jahren den Mehrwert der fünf Qualitäten immer deutlicher erfahren, und wir wissen, es bleibt noch viel mehr zu entdecken. Siehst du auch dieses Potenzial?

Wenn diese Themen für dich relevant sind, laden wir dich ein, weitere Artikel dieser Serie zu lesen. Alle Artikel sind unten verlinkt.

Wenn du dir noch nicht sicher bist, ob diese Themen für dich relevant sind, haben wir die Möglichkeit einer kurzen persönlichen Reflexion vorbereitet und bieten sie jedem Leser an. Kontaktiere uns auch gerne persönlich unter info@one-x.org und wir werden zügig antworten.

Wir freuen uns über Pioniere, die ihre Prinzipien, Praktiken und Erfahrungen mit uns teilen und gemeinsam an der Entwicklung eines neuen Wirtschaftssystems für eine breitere Anwendung arbeiten wollen. Wir laden dich ein, dich uns im One-X Workshop anzuschließen, einem virtuellen Raum, in dem Pioniere des neuen Systems experimentieren, voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen können.

Wir freuen uns, von dir zu hören!

Andrea Demaria & Tobias Bantzhaff

Artikel der Serie Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten:
- Teil 1: Auf dem Weg zu einer neuen Vision
- Teil 2: Freiwilliges Engagement (dieser Artikel)
- Teil 3: Peer Empowerment
- Teil 4: Respekt vor der Umwelt
- Teil 5: Zweckgerichtete Investitionen
- Teil 6: Faire Beteiligung
- Teil 7: Ein Weg zur neuen Wirtschaft
- Teil 8: Grundlagen von One-X (noch nicht veröffentlicht)

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Andrea Demaria

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