Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten — Teil 5

Andrea Demaria
7 min readApr 14, 2023

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Zweckgerichtete Investitionen

Gezielt investieren, damit mehr für alle herauskommt (unsplash.com, Markus Spiske)

Für Pioniere, die sich engagieren

Engagierst du dich auch in Vereinen oder Initiativen und fühlst dich manchmal wie David gegen Goliath: wirksam, ja, aber nie genug, um die großen Herausforderungen anzugehen? Bist du bereit, alte Denkmuster zu überwinden und neue Wege zu beschreiten?

Wir von One-X glauben, dass das aktuelle Wirtschaftssystem die Probleme, die es verursacht, kaum lösen kann und haben uns in den letzten Jahren mit der Entwicklung eines neuen, praktikablen Wirtschaftssystems beschäftigt. In unserem ersten Artikel haben wir die Herausforderungen und Grundlagen dieses neuen Paradigmas beschrieben, und wir möchten dich hier weiter in das Konzept einführen und dich einladen, an dieser Arbeit mitzuwirken.

Wir suchen Mitgestalter, die One-X in realen Kontexten zum Leben erwecken, wo das neue Wirtschaftssystem getestet und angewendet werden kann. Nach zwei Jahren Proof-of-Concept glauben wir, dass One-X nun ein ausgereiftes Konzept ist, bei dem die meisten Aspekte ausgearbeitet sind.

Fünf Qualitäten zur Lösung unserer Herausforderungen

Die dringlichsten Probleme des bestehenden globalen Wirtschaftssystems sind zum einen die wachsende soziale Ungleichheit und zum anderen die übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen.

One-X bietet Menschen und Vorhaben ein offenes Netzwerk an, um gemeinsam unsere Herausforderungen zu lösen. In One-X arbeiten wir auf Augenhöhe zusammen, ohne jeglichen Zwang. Je mehr Vertrauen wir untereinander aufbauen, desto wirksamer kann die Zusammenarbeit werden.

Das langfristige Ziel von One-X ist es, gemeinsam die Bedürfnisse aller Menschen auf der Welt zu erfüllen. Dies klingt zunächst nach einem utopischen Ziel, aber One-X bietet uns den idealen Experimentierraum, um durch fünf neue Qualitäten diesem Ziel Schritt für Schritt näherzukommen:

Die Qualitäten werden durch die konsequente Implementierung von zehn Prinzipien erreicht, zwei für jede Qualität, die wir in dieser Artikelserie ausführlich beschreiben.

Die vierte Qualität, auf die wir jetzt näher eingehen werden, sorgt für eine gemeinschaftsorientierte Steuerung der Investitionen, damit die vielversprechendsten Chancen in der Zukunft konsequent verfolgt und realisiert werden. Die beiden hier folgend beschriebenen Prinzipien ermöglichen es, diese Qualität zu erreichen.

Auch ein Ozean wird zu klein, wenn zu viele gleichzeitig fischen (unsplash.com, Eddie Bugajewski)

7. Prinzip: Schütze, was von Wert ist

Die Herstellung von Produkten und die Lieferung von Dienstleistungen verbrauchen oft Ressourcen, die für die Gemeinschaft wertvoll sind. Die daraus resultierenden Kosten für die Gemeinschaft können je nach Art der Produktion, Verwendung und Entsorgung sehr unterschiedlich sein. Die Verknappung von verfügbaren Ressourcen und Umweltschäden kann temporär oder dauerhaft sein. Ein Beispiel für solche Kosten sind die schwindenden Fischbestände in den Ozeanen, die sich nur langsam erholen und negative Auswirkungen auf weitere Ökosysteme haben können. Im gegenwärtigen globalen Wirtschaftssystem werden einzelne Ressourcen durch Vorschriften und Vereinbarungen erst geschützt, wenn die verursachten Schäden eine Schwelle erreichen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen. Oft jedoch werden sie kaum oder zu spät beachtet. Nur was jemandem bestimmten gehört, wird von Anfang an geschützt.

Bei One-X betrachten wir alles, was für die Gemeinschaft potenziell wertvoll ist, als eine schützenswerte Ressource. Damit eine Ressource konsumiert werden kann, muss der Nutzen größer sein als die Kosten für die Gemeinschaft. Wir versuchen daher, die Gesamtkosten der Gemeinschaft für Produkte und Dienstleistungen abzuschätzen und sie transparent in den Preis der Waren einzubeziehen. So kann jeder Mensch und jedes Unternehmen abwägen, ob es sich lohnt, diese Kosten zu tragen und letztlich nur die Ressourcen zu beziehen, von denen ein höherer Nutzen zu erwarten ist. Diese höhere Klarheit trägt dazu bei, die Kosten für die Gemeinschaft zu minimieren.

Wie haben wir dieses Prinzip konkret umgesetzt?

In One-X verwenden wir einen Gemeinschaftspfand für alle Ressourcen, die für die Gemeinschaft relevant sind, um sicherzustellen, dass bei jeder Transaktion der künftige Nutzen mindestens die künftigen Kosten der Gemeinschaft deckt. Der Verbraucher zahlt beim Kauf einen Pfand in Höhe des potenziellen Schadens durch unsachgemäße Entsorgung und des entgangenen Nutzens für die Gemeinschaft, wenn die Güter zerstört werden. Es ist die Aufgabe der Institutionellen Entität Markt, den Pfandbetrag für die relevanten Waren zu schätzen. Wenn der Käufer die Ware weiterverkauft oder zurückgibt, erhält er den ursprünglichen Gemeinschaftspfand anteilig zurück, entsprechend dem tatsächlich weitergegebenen Teil der Ware und abzüglich der Kosten für das Recycling. Die tatsächliche Effektivität dieses Pfandsystems wird sich erst zeigen, wenn sich genügend Mitglieder in One-X verbunden haben werden.

Manche glauben, dass das nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Wenn nur der Nutzen für die Menschen berücksichtigt wird, dann leidet der Planet”. Wir antworten: Nur Menschen können den Bedürfnissen von anderen Lebewesen eine Stimme geben und möchten auch in der Zukunft auf einem intakten Planeten leben.
  • “Ist das nicht zu kompliziert? Muss ich jetzt mein Gartengemüse schätzen lassen, bevor ich es verkaufe?”. Wir antworten: Auch hier regeln wir nur das, was relevant und sinnvoll ist. Wo die Verwaltungskosten den Nutzen übersteigen, vertrauen wir einfach auf das Urteilsvermögen der Mitglieder.

Stell dir aber jetzt vor, wir würden einfach wissen, was die Umweltkosten von Produkten wirklich sind und auch nur das im Preis mitbezahlen:

  • Dann könnten Unternehmen das gesamte zur Verfügung stehende geistige Eigentum kostenlos verwenden, da keine weiteren Ressourcen dadurch verbraucht werden.
  • Dann würden Produzenten und Verbraucher sich zusammentun, um die Umweltkosten zu minimieren, um Produktionskosten und Kundenpreise direkt zu verringern.
  • Dann wird die Wiedergutmachung von Umweltschäden (z.B. von Deponien) durch eine passende Bepreisung direkt und effektiv finanzierbar.
Wenige steuern die Investitionen für viele, selten zum Vorteil von allen (unsplash.com, Dylan Calluy)

8. Prinzip: Investiere für die Gemeinschaft

Dank des Fortschritts können wir unsere Bedürfnisse immer besser befriedigen. Um Fortschritt zu erreichen, braucht man innovative Ideen und Mittel, um sie umzusetzen. Echte Innovation ist jedoch kein gerader Weg. Hinter jedem Erfolg, der gefeiert wird, stehen viele Fehlschläge im Stillen. Im heutigen Wirtschaftssystem sucht jedes Unternehmen nach den vielversprechendsten Ideen und wägt dann ab, inwieweit der zu erwartende Gewinn die Kosten übersteigt. Diese Überlegungen sind, wie auch bei allen anderen Investitionen, als wesentlicher Teil der Strategie streng vertraulich und erfolgen aus der Perspektive des einzelnen Unternehmens anstatt der Gemeinschaft. Dies hat mehrere Konsequenzen:

  • Viele Innovationen werden gleichzeitig in mehreren Unternehmen entwickelt und sind oft redundant
  • Die höchstmögliche Rendite der Investitionen eines Unternehmens ist selten so hoch wie die höchstmögliche Rendite aus der Sicht der Gemeinschaft
  • Die Verdrängung des Wettbewerbs, die Schaffung eines Monopols oder die Manipulation des Kaufverhaltens werden ebenfalls als lohnende Investitionsziele verfolgt
  • Die Allokation von Investitionen im Unternehmen wird in Wirklichkeit oft durch die internen Abteilungsinteressen verzerrt
  • Einmal zugewiesene Mittel werden in der Regel vollständig verbraucht, auch für Investitionen, die sich später als unrentabel erweisen

Eine konsequente, unternehmensunabhängige Ausrichtung der Investitionen an den Bedürfnissen der Gemeinschaft verspricht, diese negativen Folgen deutlich abzumildern. Bei One-X wird der potenzielle Nutzen einer Investition ständig von einer dritten Partei überprüft. Die Leistungsfähigkeit der Unternehmen, die sich ändernden Bedürfnisse und die insgesamt verfügbaren Ressourcen werden alle berücksichtigt, um verschiedene Investitionsmöglichkeiten in der Gemeinschaft in regelmäßigen Abständen abzuwägen und neu zu verteilen. Anstatt dass einzelne Unternehmen ihre Ressourcen im Wettbewerb miteinander vergeuden, kann so flexibler auf die sich ändernden Bedürfnisse aller eingegangen werden. Unternehmen können Synergien stärker nutzen und bei notwendigen Veränderungen viel schneller und konsequenter die verfügbaren Ressourcen umsteuern.

Wie haben wir dieses Prinzip konkret umgesetzt?

In One-X handelt die Institutionelle Entität Balance wie eine gemeinschaftsorientierte Investment-Bank. Unternehmer können sich regelmäßig für Investitionsmöglichkeiten bewerben, die von Experten, mit Vertretern aus allen Unternehmen, nach ihrem Potenzial bei der Erfüllung von Bedürfnissen bewertet werden. Ein Investitionsbudget, als Teil des Gesamtbudgets, wird von Balance festgelegt und unter den Bewerbern aufgeteilt, ohne Erwartung einer Rückzahlung. Das zugewiesene Budget ist die einzige in der Gemeinschaft existierende Investitionsquelle. Es ist auf einen bestimmten Zweck beschränkt und darf nur für die nächste Periode verwendet werden. Erlöse aus den Aktivitäten des Unternehmens werden von der Institutionellen Entität Balance gesammelt und in der nächsten Periode wie oben beschrieben wieder verteilt.

Manche glauben, dass das nicht gut funktionieren würde. Sie sagen uns:

  • “Dann können Unternehmen ohne unternehmerisches Risiko die ihnen gegebenen Mitteln verschwenden”. Wir antworten: Ganz im Gegenteil bekommen Unternehmen von Balance sofort weniger finanziellen Spielraum, wenn sie schlecht wirtschaften, bis hin zur Schließung. Kein Kapital schützt sie davor.
  • “Unternehmen können dann nicht langfristig planen und investieren”. Wir antworten: Langfristige Investitionen werden mit Balance abgestimmt und dem Unternehmen weiter zugeteilt, das aber nur solange, wie es im Sinne der Gemeinschaft ist.

Stell dir aber jetzt vor, Investitionen würden stets zielgerichtet die Bedürfnisse der Gemeinschaft adressieren:

  • Dann würden Unternehmen nur dort investieren, wo sie einen sinnvollen Fortschritt für die Gemeinschaft bringen könnten und es gäbe weniger Verschwendung.
  • Dann würden unsere begrenzten Mittel die Erfüllung der Bedürfnisse ausgewogen finanzieren. Man könnte man bewusst Redundanzen vermeiden und in mehreren Richtungen Fortschritt erzielen.
  • Dann würden wir einfach Investitionsmittel umwidmen können, sobald die Lage es erfordert, anstatt in aussichtslose Projekte weiter zu investieren.

Gemeinsam das neue System gestalten

Wir haben in den letzten Jahren den Mehrwert der fünf Qualitäten immer deutlicher erfahren, und wir wissen, es bleibt noch viel mehr zu entdecken. Siehst du auch dieses Potenzial?

Wenn diese Themen für dich relevant sind, laden wir dich ein, weitere Artikel dieser Serie zu lesen. Alle Artikel sind unten verlinkt.

Wenn du dir noch nicht sicher bist, ob diese Themen für dich relevant sind, haben wir die Möglichkeit einer kurzen persönlichen Reflexion vorbereitet und bieten sie jedem Leser an. Kontaktiere uns auch gerne persönlich unter info@one-x.org und wir werden zügig antworten.

Wir freuen uns über Pioniere, die ihre Prinzipien, Praktiken und Erfahrungen mit uns teilen und gemeinsam an der Entwicklung eines neuen Wirtschaftssystems für eine breitere Anwendung arbeiten wollen. Wir laden dich ein, dich uns im One-X Workshop anzuschließen, einem virtuellen Raum, in dem Pioniere des neuen Systems experimentieren, voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen können.

Wir freuen uns, von dir zu hören!

Andrea Demaria & Tobias Bantzhaff

Artikel der Serie Eine sinnvollere Wirtschaft gestalten:
- Teil 1: Auf dem Weg zu einer neuen Vision
- Teil 2: Freiwilliges Engagement
- Teil 3: Peer Empowerment
- Teil 4: Respekt vor der Umwelt
- Teil 5: Zweckgerichtete Investitionen (dieser Artikel)
- Teil 6: Faire Beteiligung
- Teil 7: Ein Weg zur neuen Wirtschaft
- Teil 8: Grundlagen von One-X (noch nicht veröffentlicht)

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Andrea Demaria

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