Josef — Sohn Davids und Bräutigam Mariens

Karl-Maria de Molina
22 min readMar 18, 2022

Wer ist Josef von Nazareth?

In diesem Artikel möchte ich Josef von Nazareth portraitieren. Wir werden uns auf Texte belastbarer Quellen stützen: Neues Testament und Lehramt der Kirche.

Die Zeilen in diesem Artikel sind mir ein Herzensanliegen. Es ist ein Dankeschön an jemanden, der für uns alle viel leiden musste. Leiden, die ihm womöglich erspart geblieben wären, hätte er den himmlischen Auftrag abgelehnt, Pflegevater des Sohn Gottes zu werden.

Wir bedanken uns bei Matthäus (1,16) und Lukas (1,26), dass sie uns bereits zu Beginn ihrer Texte Josef vorstellen: Abstammend aus dem Hause Davids. Das war nötig, damit Jesus Sohn Davids genannt werden konnte. Aber warum, wollte die Dreifaltigkeit, dass Jesus aus dem Hause Davids stammten sollte?

Lukas erwähnt erstmals Josef in Zusammenhang mit der Verkündigung. Und hier bevor uns Lukas den Namen der Jungfrau verrät, schiebt er den Hinweis, dass diese Jungfrau mit einem Mann aus dem Hause Davids verlobt ist. Mehr verrät uns Lukas nicht. Nichts von seinem Job, Wohnort, Alter oder Vorlieben. Aber Sohn Davids, das dürfen wir erfahren. Und Lukas schreibt dieses wichtige Kapitel in der Geschichte Gottes nicht einfach so. Es war vielmehr der Heilige Geist, der ihm diese Inspiration lieferte.

Beiläufig habe ich das Wort Verlobung in den Mund genommen. Ja. Die Evangelisten setzen ihre Texte erst nach der Verlobung auf.

Die Maler Perugino und Raffael haben die Szene der Verlobung (oder auch Vermählung genannt) im Renaissance Stil dargestellt. Bei Perugino ist Josef ein alter Mann; bei Raffael ein junger Bräutigam, passend zur jungen Braut Maria.

Von Josef sind uns nur vier Fakten bekannt: Sohn Davids, Bräutigam Mariens, Zimmermann von Beruf und dass er „gerecht“ war. Vom Geburtsort, Sterbedatum, Ort seines Grabes, Verwandte usw. keine Notiz.

- Sohn Davids

Als uns Lukas die Person Josefs (1,26) vorstellt, fügt er schleunigst einen Hinweis auf seine Abstammung hinein: Sohn Davids. Was die Abstammung Marias angeht, schweigen die Evangelisten. Für Mariologen wie Willam (1953) oder Daniel-Rops (1950) ist die Sache klar: Auch sie stammt aus dem Hause Davids. Ich zitiere Daniel-Rops: „Josef und Maria -so scheint es- beide aus der Nachkommenschaft Davids“…Die Zugehörigkeit zur Nachkommenschaft David ist traditionsgut: Der hl. Paulus scheint zu bestätigen (Röm. I, 3). Die Kirchenväter seit dem 2. Jahrhundert haben diese Lehre verteidigt, für die der bei den Juden sehr häufige Brauch spricht, dass Ehen in der derselben Familie geschlossen wurden“.

Für Willam (1953) rangiert das Haus Davids sehr hoch: “Unter den Geschlechtern Israels nahm das Haus Davids, dem die Eltern Marias angehörten, eine einzigartige Stellung ein“.

- Bräutigam Mariens

Es ist auch Lukas, der uns über die Beziehung zwischen Maria und Josef aufklärt: „Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt“. Die Verlobung im damaligen Israel entspricht unserer heutigen Hochzeit. Die Heimholung der Braut erfolgte damals jedoch nicht unmittelbar nach der Verlobung, sondern etwas später. Und gerade in dieser Zeit erfolgt die Verkündigung.

Die Kirche feiert am 23. Januar dieses erfreuliche Ereignis: Die Verlobung zwischen Maria und Josef. Ich finde diesen menschlichen Zug der Kirche sehr schön. Es zeigt, dass sie sich mit den Anliegen der Menschen befasst.

Wenn ich in die Erinnerungen aus meiner Kindheit hineingrabe, finde ich nicht den entscheidenden Moment, wo mir klar wurde, dass Josef der Bräutigam Mariens war. Seit vielen Jahren ist dieser Fakt in meinem Leben festverankert. Und trotzdem. Vor kurzer Zeit musste ich wirklich lachen. Mir wurde auf einmal klar, dass Josef der Bräutigam Mariens ist. Mir kam es so vor, als wäre das ein Upgrade: Wow, Ehemann Mariens. Welche Ehre! Es klingt kindisch. Es sind diese Binsenwahrheiten, die immer wieder in unserem Leben vorkommen. In meinem persönlichen Ranking stand Josef auf einmal ganz oben da. Seitdem sehe ich ihn klarer an der Seite Mariens. Er hatte nicht dieselbe Berufung wie sie. Er wurde jedoch von der Dreifaltigkeit ausgesucht -wie Fulton Sheen (1954) es so nett formuliert-, um an der Seite Mariens zu sein.

Welchen Ehepartner, welche Ehepartnerin wir für unser Leben suchen, bleibt uns (im Westen) überlassen. Wir fühlen uns frei in der Auswahl. Und doch sind wir es nicht ganz. Wie kommt es, dass uns dieser junge Mann, diese junge Frau, „über den Weg“ läuft? Zufall? Nein. Gott hat es arrangiert. Das ist keine Einschränkung unserer Freiheit. Uns bleibt immer die Wahl frei. Und trotzdem, Gott hat es „arrangiert“. Erst recht im Falle des wichtigsten Ehepaares der Weltgeschichte. Es war für die Dreifaltigkeit nicht leicht, einen Ehepartner für Maria zu finden. Der Auserwählte musste Sohn Davids sein, in Nazareth wohnen, vom Alter her passen zur jungen Frau und „gerecht sein“ -wie uns Matthäus (1,19) mitteilte.

Dieses „gerecht sein“ bedeutet, die Gebote Gottes halten. Zu Deutsch: Heiligmäßig leben.

Im Hause in Nazareth wohnten Jesus, Maria und Josef. Von den drei war einzig Josef von der Erbsünde betroffen. Die anderen zwei waren davon befreit. Was das heißt, können wir uns kaum vorstellen. Aufgrund ihrer Sündenfreiheit haben Jesus und Maria die Welt mit ganz anderen Augen gesehen.

Dazu eine Anekdote aus meinem Umfeld. Im kleinen Kreis des heiligen Escrivá waren der selige Àlvaro del Portillo und Javier Echevarria. Der jüngere Echevarria fühlte sich umgeben von zwei „Riesen der Liebe“ -wie er sagte. Ihm beschlich das Gefühl, der Heilige und der Selige sehen die Welt mit anderen Augen, mit den Augen der Liebe. Er kam sich dabei sehr klein vor.

Bei all der Heiligkeit musste sich Josef sehr klein vorkommen, in Anbetracht zweier „Riesen“ in seiner Umgebung. Ähnliche Phänomene kennen wir aus unserem Alltag: Bei der Arbeit, beim Sport, beim Haushalt. Wir sind vielleicht nicht so leistungsfähig wie andere in der Familie, im Job, im Freundeskreis.

Und es begeistert mich zu sehen, wie Josef diesen Umstand gemeistert hat, dass er von „Riesen der Liebe“ umgeben war.

- Zimmermann

In Markus (6,3) erfahren wir, dass Jesus als Sohn des „faber“ bekannt war, als Sohn des Zimmermanns. Dies ist für den Lebensweg Jesu wichtig. Er hat von seinem Vater den Beruf gelernt und später die Werkstatt übernommen. Damit erfahren wir, dass auch Jesus -so wie wir- den Lebensunterhalt für sich und seine Familie mit seiner Händearbeit verdient hat. Das ist die Message von diesen 30 Jahren des „verborgenen“ Lebens Jesu. Und Josef war sein Lehrmeister. Wir kennen die Arbeitsqualität des heiligen Josefs nicht. Eins ist aber klar. Hätte er nicht gut gearbeitet, wären ihm die Kunden im kleinen Nazareth abhandengekommen und er wäre pleite. Josef musste drei Mal seine Arbeit von Null starten: Das erste Mal in Nazareth, dann in Ägypten und dann wieder in Nazareth. Jedem Selbstständigen ist es klar, was das bedeutet: sich anstrengen und sehr gute Leistung erbringen.

Im „Ranking“ der Kirche fungiert Josef an vierter Stelle hinter Johannes dem Täufer und noch vor Petrus und Paulus. Der heilige Josef wurde sehr spät von der Kirche auf seinen richtigen Platz gehievt. Erst im Jahr 1870 hat ihm Papst IX den Titel Patron der Kirche verliehen. Seine Person findet sich im liturgischen Jahr in zwei Festen wieder: 19. März und 1. Mai. Und 150 Jahre nach Papst IX hat der heutige Papst Franziskus am 8.12.2020 dem heiligen Josef ein Jahr gewidmet. Mit diesem dedizierten Jahr soll uns die Person Josef wieder in Erinnerung gerufen werden.

Josef stammt nicht nur aus dem Geschlecht Davids. Es ist kein Zufall, dass Gott für die Rolle, Beschützer der Heiligen Familie, einen Mann namens Josef ausgewählt hat.

Am Vortag des Festes des heiligen Josef, d.h. 18. März, wählt die Kirche den Lesungstext aus dem Genesis 37, 3 und ff. Dabei ist die Rede von Josef, Sohn Israels, der nach Ägypten verschleppt wurde und da einen hohen Posten bekleidet hat. Auch unser Protagonist Josef wird nach Ägypten reisen. Auch er eigentlich unfreiwillig.

Was zeichnet die Person des heiligen Josefs aus? Als Personaldiagnostiker werde ich mir erlauben -ähnlich wie in meinem Artikel Das Portrait einer Königin- Eigenschaften und Kompetenzen vom heiligen Josef zu beschreiben und zu kommentieren.

Charaktereigenschaften Josefs

Stärke

Die Kirche gedenkt des heiligen Josef in den sieben Sonntagen vor seinem Fest am 19. März. Die Zahl orientiert sich an den sieben Freuden und Sorgen der Heiligen Familie, d.h. Josefs und Mariens. Diese Gedenktage dienen der Vorbereitung auf das Fest.

Die Art und Weise wie Josef Sorgen und Leiden aus Liebe zu Gott getragen hat, ist aus meiner Sicht ein Zeichen von Stärke, aber auch von emotionaler Stabilität und von Gott Vertrauen. Casciaro (1994) formuliert es so: “Es ist zu bewundern, dass die Vorsehung Gottes Maria und Josef die alltäglichen Widerwertigkeiten nicht erspart hat, obwohl sie nach Jesus, die wichtigsten Berufungen erhalten haben”.

Die bekanntesten Sorgen Josefs sind:

Maria erwartet ein Kind und Josef kennt Ursprung nicht

Josef findet für die Geburt Jesu keine passende Bleibe in Bethlehem

Die Ankündigung der Schmerzen Mariens durch Simeon

Die Flucht nach Ägypten

Die Rückkehr nach Israel

Jesus geht in Jerusalem verloren

Die Stärke Josefs drückt sich aus in seiner ruhigen, unaufgeregten Reaktion auf die Widerwertigkeiten. Wir werden sehen, dass diese Stärke auch mit Glauben und Vertrauen auf Gott einhergeht.

Gerecht

Oben haben wir das Thema „gerecht sein“ vom heiligen Josef gestreift. Wir verdanken dem Evangelisten Matthäus (1,19) den Hinweis auf dieses Merkmal: “Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen”.

Wenn wir jemanden loben wollen, dann bringen wir seine/ihre positiven Eigenschaften zum Vorschein. Im alten Israel war da nicht anders. Der Engel begrüßt Josef mit seinem höchsten Titel: Sohn Davids (siehe Matthäus 1,20: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht…“).

Ratzinger (2012) formuliert es so „Die Bezeichnung Josefs als eines Gerechten reicht weit über die Entscheidung des Augenblicks hinaus: Sie gibt ein Gesamtbild des heiligen Josef und reiht ihn zugleich in die großen Gestalten des Alten Bundes ein“.

In der Bewertungsskala Gottes rangiert die Bezeichnung „gerecht“ ganz oben. Daher bin ich sehr erfreut, dass sich Matthäus nicht nehmen ließ, Josef so zu nennen. Lukas nannte den greisen Simeon auch gerecht (2,25). Mir sind nur die beiden bekannt, die von den Evangelisten so bezeichnet worden sind.

Bei Johannes der Täufer und erst recht Maria verwenden die Evangelisten die Bezeichnung „gerecht“ nicht. Warum? Die beiden spielen in einer anderen Liga aufgrund ihrer Befreiung von der Erbsünde. Daher werden sie nicht mit der Bezeichnung „gerecht“ geschmückt, weil überflüssig.

Keuschheit

Es gibt zwei Gründe, warum die meisten Maler Josef als greiser Mann darstellen: der frühe Tod und seine Keuschheit.

In anderen Artikeln habe ich erwähnt, dass Josef und Maria noch vor der Verlobung die Wahrung der Jungfräulichkeit vereinbart hatten (siehe Das Portrait einer Königin). Hätte sich Maria einseitig und erst nach der Verlobung zu entschlossen, jungfräulich zu bleiben, wäre die Ehe ungültig. Die Tradition und die Lehre der Kirche gehen von einer gültigen Ehe aus.

Wir lesen bei Lunkas 1,34 “Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“. Damit bekräftigt Maria den früheren Entschluss, die Jungfräulichkeit zu wahren.

Die Kirche hat mit einem Dogma die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens bekräftigt. Dies ist nur möglich, wenn auch Josef die Jungfräulichkeit bewahrt hat.

Für manche Christen wie auch Theologen ist die Vorstellung, ein Mann könnte jungfräulich leben, nicht eingängig. In einem Interview über das zölibatäre Leben von Priestern ging Frau Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz auf diese irrigen Behauptungen ein und widerlegte sie mit philosophisch-theologischen Argumenten.

Im Laufe der Geschichte haben Millionen von Menschen das Zölibat eingehalten und damit diese irrige Ansicht widerlegt. Die Ikonographie hat oft Josef mit einer Lilie in der Hand als Zeichen der Jungfräulichkeit abgebildet. Das entspricht der Tradition der Kirche.

Der heilige Josef zeigt, dass es möglich ist, die Tugend der Keuschheit beispielhaft zu leben. Das ist heute wichtiger denn je. Wir erleben im Film, Theater, Internet einen Tsunami von Sensualität. Portale wie C-Date erleichtern Eheleuten den Seitensprung, d.h. sie verführen sie zum Ehebruch. Die Homosexualität wird hofiert und als lobenswert dargestellt wie im Falle der thebäischen Legion (siehe Programm Arte). Unter dem Mangel an Keuschheit leiden die Familien immens, allen voran die Kinder.

Die Kirche hat deswegen dem heiligen Josef den Titel Patron der Familien verliehen.

Treue

Eine Tugend, die beim heiligen Josef, m.E. hervorsticht, ist die Treue zu seiner Berufung.

Ihm ist drei Mal ein Engel im Traum erschienen und jedes Mal Aufträge erteilt. Diese Aufträge waren klar formuliert und trotzdem schwierig in der Umsetzung. Der erste Auftrag erforderte einen großen Glauben (Mt 1,20): „das Kind, das sie (Maria) erwartet, ist vom Heiligen Geist“.

Der Auftrag hat es in sich: Eine Frau erwartet ein Kind durch direkte Einwirkung Gottes und ohne Zutun eines Mannes! Das ist für einen rational denkenden Menschen harter Tobak. Weil dies so schwer zu vermitteln war, konnte Maria ihrem Ehemann dieses Wunder nicht mal so erklären. Es wäre, zu viel für ihn gewesen.

Josef glaubt, Josef gehorcht und führt diesen Auftrag aus. Bis zum Lebensende. Man könnte es so formulieren, Josef war treu trotzdem. Josef führte die Aufträge durch, auch wenn diese menschlich betrachtet, eine Zumutung waren, bar jeglicher Logik.

Josef war auch treu zu seiner Frau. Wir erleben in der Gesellschaft einen Trend zur Untreue. Oben habe ich die Plattform C-Date erwähnt, die diese Untreue in der Ehe massiv begünstigt. In einem Dokumentarfilm erfuhr ich, dass eine Vogelart namens Bartgeier eine lebenslange Beziehung eingeht. Diese kann bis zu 50 Jahre halten. Und wie sieht es mit uns Menschen aus? Es heißt ein Drittel der Ehen werden geschieden. Es gilt als Schick, modern und aufgeklärt, sich zu trennen. Es sind nur passende Partnerschaften für jeden Lebensabschnitt.

Ein Bruder von mir ist aufgrund eigener Erfahrung der Meinung, dass Ehen dann länger halten, wenn eine zweidimensionale Stabilität gegeben ist: In der Liebe und in den wirtschaftlichen Verhältnissen. Ihm ist die Ehe nach über 40 Jahren gelungen.

Josef und Maria haben eine absolute Treue zueinander gelebt. Uns sind keine Gespräche zwischen den beiden überliefert worden. Nur Lukas hat uns einen kurzen Text geliefert: (Maria spricht zu Jesus) Dein Vater und ich haben Dich mit Schmerzen gesucht (Lk 2,48). Dieser Satz offenbart uns eine intakte Ehe. Josef als Familienoberhaupt stand zu, Jesus zur Rede zu stellen. Er überlässt den Vortritt der leiblichen Mutter. Und diese erwähnt als erstes den Vater, und dann sich selbst.

Die Stabilität der Ehe zwischen Josef und Maria ruhte auf der Treue in der Liebe.

Josef hat vom Engel den Auftrag erhalten, für die Familie zu sorgen. Und das hat er getan. Maria konnte sich auf ihre eigenen Aufgaben konzentrieren. Josef hielt ihr dafür den Rücken frei und sorgte organisatorisch und wirtschaftlich für sie.

Der zweite Auftrag war die Flucht nach Ägypten mitten in der Nacht (Mt 2,14). Und der dritte Auftrag, die Rückkehr nach Israel (Mt 2,20).

Der letzte Auftrag war logisch und wurde bereits beim zweiten Auftrag angekündigt.

Klugheit

Anhand der spärlichen Notizen über den heiligen Josef ist eine Persönlichkeitsdiagnose echt schwierig. Ich haben mich in oberen Einschätzungen sehr aus dem Fenster gelehnt. Ich wage es jedoch weiter, jetzt beim Thema Klugheit.

Der Evangelist Matthäus (2,22) teilt uns den Gedankengang Josefs mit: „Als er (Josef) aber hörte, dass in Judäa Archelaus an Stelle seines Vaters Herodes regierte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und… zog in das Gebiet von Galiläa“. Dieses Verhalten stufe ich als ein Zeichen von Klugheit ein. Er macht eine Risikobewertung und entscheidet sich für die Lösung, die mehr Sicherheit für die eigene Familie bietet.

Exegeten bemerken zum oberen Text von Matthäus, dass Lukas diese Überlegung deswegen nicht erwähnt, weil er wusste, dass die Familie Josefs in Nazareth beheimatet ist. Daher war eine Rückkehr nach Galiläa von vornherein klar. Matthäus scheint -so die Exegeten- mit den familiären Gegebenheiten nicht vertraut zu sein.

Da die Texte aus dem Neuen Testament vom Heiligen Geist inspiriert sind, muss man sich fragen, warum Matthäus eine solche Eingebung gehabt hat, um uns den oberen Text zu überliefern? Für mich liegt die Erklärung in der Darstellung der klugen Vorgehensweise Josefs.

In der oberen Passage haben wir den Begriff „gerecht“ ausführlich erklärt. Und zwar im Zusammenhang mit der Situation, dass Josef nicht wusste, wie es dazu kam, dass Maria ein Kind erwartete. Hätte ein Engel Josef direkt nach der Verkündigung über die Vorkommnisse unterrichtet, wüssten wir von diesem „gerecht sein“ nichts. Erst in den Krisen zeigen die Menschen ihr wahres Sein und Können! Und so geschah es mit Josef. Er und Maria mussten durch diese Krise hindurch, damit wir von ihrem tugendhaften Leben Kenntnis nehmen, und lernen. Das ist die Logik Gottes.

Gott muss man machen lassen. Es kann es besser als wir. Das war das Lebensmotto von Escrivá (1987) „antes, más y mejor“ („früher, mehr und besser“ -macht es Gott, wenn wir ihn machen lassen).

Beenden wir diesen Abschnitt mit dem Tagesgebet vom Fest des heiligen Josef: „Allmächtiger Gott, du hast Jesus und seine Mutter der treuen Sorge des heiligen Josef anvertraut“. Gott wusste, wem er seine Geliebten anvertraute.

Gehorsam

Im Abschnitt über die Treue habe ich von den drei Aufträgen gesprochen, die Josef vom Engel erhalten hat. Es ist davon auszugehen, dass er -wie wir alle- täglich die Stimme Gottes in seinem Inneren gehört hat. So gehorsam und feinfühlig, wie er sich in den drei großen Aufträgen verhalten hat, dürfte er auch die kleinen Aufgaben erledigt haben.

Die Texte der Evangelisten beinhalten zahlreiche Hinweise, wo Jesus die Jünger ermahnt, seine Gebote zu halten, d.h. gehorsam zu sein. Und er nimmt sich nicht raus: „Meine Nahrung ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34).

Im Evangelium lesen wir „mehr mich liebt, hält meine Gebote“ (Joh 14,23). Für Jesus ist unser Gehorsam wichtig. Josef war ein wichtiger Mitwirkende im Plan Gottes. Wäre er nicht gehorsam gewesen, hätte Gott ein richtiges Problem bei der Umsetzung seines Erlöserplans gehabt.

Ratzinger (2012) formuliert es -wie folgt-: „Nur einem Menschen (wie Josef) mit einer inneren Wachheit dem Göttlichen gegenüber, mit einer Sensibilität für Gott und seine Wege, kann die Botschaft Gottes so begegnen“. Begegnen als Voraussetzung für den Gehorsam.

Im Artikel Die Leiden Mariens — Teil 1 habe ich den Satz der Mutter Gottes kommentiert: „Was er (Jesus) euch sagt, das tut“ (Joh 2,1). Maria spornt uns damit an, gehorsam gegenüber ihrem Sohn zu sein. Wie sehr wird sie ihrem Bräutigam geholfen haben, gehorsam zu sein. Und das speziell in den Krisen, die sie gemeinsam meistern mussten.

Im Eröffnungsvers der Messe vom heiligen Josef lesen wir einen leicht abgeänderten Text von Lukas (12,42): „Selig der treue und kluge Knecht, den der Herr als Haupt seiner Familie gesetzt hat“. Das ist, was Josef ausmacht: Diese Treue und diese Klugheit aus dem Gehorsam heraus.

Ich möchte mit einem Zitat Ratzinger (2012) diesen Abschnitt beenden: „Nach dem Besuch des Gottesboten bleibt Maria allein zurück mit dem Auftrag, der eigentlich über jedes menschliche Vermögen hinausgeht…Sie muss den Weg weitergehen, der durch viele Dunkelheiten hindurchführt — angefangen mit dem Erschrecken Josefs über ihre Schwangerschaft bis zu dem Augenblick, in dem Jesus für verrückt erklärt wird (vgl. Mk 3,21 und Joh 10,20), ja bis zur Nacht des Kreuzes hin“. Beide Berufungen sind einander verwoben.

Demut

Den oben beschriebenen Gehorsam, die Treue, die Klugheit und die Keuschheit konnte Josef nur dank seiner Demut leben. Josef drängte sich nicht in den Vordergrund, obwohl er das Oberhaupt seiner Familie war. Diese Haltung sehen wir z.B. bei der Auffindung Jesu im Tempel (Lk 2,48). Hier überlässt er -wie gesehen- Maria den Vortritt, obwohl ihm als Oberhaupt dieses Recht zustand.

Auch beim nächtlichen Traum zur Ankündigung der Flucht nach Ägypten sagt der Engel (Mt 2,14): „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter“. Von ihm ist nicht die Rede. Er wird vom Engel nicht erwähnt. Man beachte im Text die Reihenfolge. In unseren Gesprächen würden wir beim Vater anfangen, dann die Mutter und dann das Kind. Nicht hier. Das Kind ist der Sohn Gottes. Daher muss es an erster Stelle stehen. Und dann die Mutter als Tochter Gottes, Braut Gottes, Mutter Gottes. Nur Josef wird nicht erwähnt. Ich weiß nicht wie viele von uns da pikiert wären?

Der Beitrag Josefs im Erlöserplan fungiert an dritter Stelle nach Jesus und Maria. Aufgrund der Größe seiner Aufgabe war eine Portion Demut erforderlich. Newman (1937) äußert sich -wie folgt-: “…nichts Großes in der Welt geschieht ohne Leiden und Verdemütigung”.

Gott offenbart in seinen Handlungen ein klares Ranking. Maria wird von einem Erzengel begrüßt, von Gabriel (Lk 1,26). Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer erhält auch einen Besuch von Gabriel (Lk 1,19). Nicht so sehr wegen Zacharias, sondern wegen der herausragenden Rolle seines Sohnes. In den Erscheinungen des heiligen Josef ist die Rede von einem Engel und keinen Erzengel. Auch ein weiterer Unterschied: Maria wurde von jeglicher Erbsünde befreit; Johannes erst im Mutterleib. Josef gar nicht.

Wir stolze Menschen täten uns mit großer Wahrscheinlichkeit schwer mit diesem Ranking. Nicht Josef. Wir hören kein Wort des Murrens, der Kritik. Josef ist demütig. Einen demütigen Menschen kann man nicht demütigen.

Paulus schreibt im 1. Brief an die Korinther (1,27): „Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt…und das Schwache…und das Niedrige in der Welt“. Diese Erfahrung hat Paulus, einer der größten Heiligen der Kirche, gemacht. Josef dürfte dem zustimmen. Er wusste sich ganz klein in Anbetracht der Allmacht Gottes, die er vor sich in Form von Jesus hatte.

Kritikfähigkeit

Kritikfähigkeit erlebt in der Arbeitswelt ein „Revival“. Coaches und Psychologen haben diese Kompetenz wieder in den Vordergrund gerückt und in die Liste der notwendigen Fähigkeiten für die Arbeit aufgenommen. Wer nicht kritikfähig ist, akzeptiert kein Feedback.

Kritikfähigkeit ist nur da möglich, wo Souveränität und Demut zusammen kommen.

Wie steht es mit der Kritikfähigkeit Josefs bestellt? Bestens! Warum? Schauen wir uns die Stelle bei Lukas (2,49): „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört“. Das war eine klatschende Ohrfeige Jesu an seine Eltern. Maria hatte gesagt „Dein Vater und ich haben dich gesucht“. Maria meinte hier den Vater Josef. Und Jesus meint seinen himmlischen Vater. Dieser Übergang vom Vater auf Erden auf den Vater im Himmel lässt sich direkt so interpretieren: „Der (Josef) ist wohl nicht mein Vater. Nur mein Vater im Himmel ist mein wahrer Vater“. Und Josef? Wie reagiert er? Er schweigt. Er versteht genauso es -wie seine Frau Maria: Hier hat der Sohn Gottes gesprochen und nicht der Sohn Mariens. Und deswegen schweigen beide. Und der Evangelist Lukas (2,51) fügt hinzu „Seine Mutter bewahrte alles, was geschah in ihrem Herzen“. Maria reflektierte die „Lektion“, die ihnen ihr Sohn erteilte.

Diese Interpretation des Dialogs mit beiden Rollen Jesu teilt Willam (1953) auch. Ich kenne keinen weiteren Autor, der den Dialog so auslegt. Für mich ein Muss. Sonst führt dieser Text zu massiven Missinterpretationen, die wir leider häufig erleben.

In den letzten Jahren macht ein sehr unangenehmer Charakterzug auf sich aufmerksam: Der Narzissmus. Dieser schließt jegliche Kritik von vornherein aus. Eine Zeit lang musste ich mit einer Person zusammenarbeiten, die unter der Kategorie 90% Narzisstin einzuordnen ist. Sie akzeptierte keinerlei negatives Feedback. Man könnte es so formulieren, der heilige Josef ist das Gegenteil eines Narzissten.

In all den Texten des Evangeliums, wo Josef erwähnt wird, steigt der Wohlgeruch der Kritikfähigkeit auf. Null Zeichen von Narzissmus oder ähnliches. Kein Hauch von Stolz, von Kritikunfähigkeit. Daraus entsteht ein charakterstarkes Persönlichkeitsbild. Seine Position an 4. Stelle im Ranking Gottes ist wohlverdient.

Zuhören

Wir haben mehrfach die drei Aufträge kommentiert, die Josef vom Engel in verschiedenen Träumen erhalten hat. Konnte Josef gut zuhören? Im Artikel Die Leiden Mariens — Teil 1 habe ich von der Trilogie gesprochen: #1: Auf Gott hören #2: Das tun, was wir hören #3: Die Gebote Gottes halten.

Gott Vater hat uns den Auftrag erteilt, auf die Worte Jesu zu hören, und „mutatis mutandis“ auf die Worte des Heiligen Geistes und auf die Worte seiner Gesandten zu hören (Lukas 9,35).

Zuhören setzt Demut voraus. Demut bedeutet zuzugeben, es gibt einen größeren als mich, der mir Anweisungen geben kann. Und Josef war aufgrund seiner Demut klar, es gibt einen größeren als er.

In seinen Predigten sagte Jesus (Lk 8,19): “Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln”. In erweiterter Form gilt dies auch für seinen Vater Josef.

Dieses Zuhören muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Wir erflehen oft vom Herrn Hilfeleistungen: Für Gesundheit, für Wohlergehen usw. Wenn wir erwarten, dass uns Gott erhört, dann müssen auch wir auf seine Worte achten. Das tun wir unter uns Menschen. Vielmehr müssen wir auch fair mit Gott umgehen und nicht nur verlangen, sondern auch geben. Und dafür müssen wir auf das hören, was Gott von uns will.

Uns sind vom Evangelium viele Szenen bekannt, wo Kranke zu Jesus kamen. Hier „pars per toto“ aus Mark (1,40): “Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe, er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde“. Und er wurde rein, weil Jesus nicht nur auf hin hörte, sondern auch weil er der Bitte entsprach und ihn heilte. Und wir? Hören wir auf die Eingebungen Gottes? Oder sind wir vielmehr mit unseren „Dingen“ beschäftigt?

In einem Dokumentarfilm über die Wanderung von den Alpen zur Adria wurde ein Interview gezeigt. Der Interviewte erzählte, dass er nach einigen Tagen der Wanderung an nichts mehr dachte. Anfänglich beschäftigten ihn die Ereignisse der letzten Tage. Und nach einigen Tagen verschwanden diese Gedanken und das Hirn war leer. Schade, dachte ich. Hat Gott keinen Platz mehr in unserem Gehirn, in unserem Leben? Sind wir leer und fern von Gott?

Mein Freund Gregor stellt das Gegenbeispiel zum obigen Wanderer. Gregor erzählte mir neulich eine Begebenheit, passend zum Erzählfaden. Gregor ist Bergsteiger und so war er einmal in den Ammergauer Alpen unterwegs. Er pflegt einen sehr innigen Kontakt mit Gott. Gregor war allein unterwegs und hatte nicht gemerkt, dass er mehr als eine Stunde dem Herrn nichts gesagt hatte: Kein Lob, keinen Dank, keine Bitte. Nichts. Auf einmal rutschte er und fiel auf den Boden ohne sich zu verletzten. Seine erste Reaktion war, sich bei Gott zu entschuldigen. Ich fragte Gregor warum denn? Ganz einfach, sagte er mir: „Gott musste sich dieses Ausrutschens bedienen, um mich auf ihn aufmerksam zu machen“. Ich habe die Worte von Georg auf mich wirken lassen und nicht geantwortet. Mir war klar, Gregor pflegte wahrlich einen innigen Kontakt mit Gott. Was für eine Lektion!

Kehren wir zum roten Faden zurück. Gott hat uns erschaffen, er hält uns im Leben. Und wir? Könnte es sein, dass wir keinen Gedanken über unseren göttlichen Wohltäter verschwenden?

Nicht so bei Josef von Nazareth. Sicherlich war es bei Josef einfacher. Rein räumlich war er Gott sehr nah. Jesus wohnte bei ihm. Die Mutter Gottes auch. Auch wir sind manchmal in der Kirche, nahe bei Gott im Tabernakel. Sind unsere Gedanken bei Gott? Vielleicht woanders?

Im Buch der Offenbarung (3,20) lesen wir „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halte, ich mit ihm und er mit mir“. Das ist eine Einladung Gottes, bei uns einzukehren, in unsere kleine Welt. Er will Teil unseres Lebens sein. Er freut sich, wenn er bei unseren Gedanken einen Platz hat.

Im digitalen Zeitalter wollen wir „immer on sein“ und Internet- und Mobilfunk-Empfang haben. Seien wir auch „immer on“ bei Gott. Immer im aktiven Zuhörer-Modus. Keinen Flugmodus. Und erst dann hören wir die Stimme Gottes in unserem Inneren. Er kann dann seine liebevollen Bitten platzieren. „Und es wird für Gott eine Wonne sein, bei uns zu wohnen“.

Und wieder lassen wir Ratzinger (2012) zu Wort kommen: „Nur einem Menschen (wie Josef) mit einer inneren Wachheit dem Göttlichen gegenüber, mit einer Sensibilität für Gott und seine Wege, kann die Botschaft Gottes so begegnen“.

Glaube

Nach Maria dürfte Josef der Mensch sein, der den größten Glauben an Gott gehabt hat.

Die drei Aufträge, die wir oben erwähnten, stellen den Glauben Josefs auf die Probe: a) Gott zeugt ein Kind im Schoße Mariens und b) Gott muss vor einem menschlichen König fliehen.

Der Glaube zieht sich wie ein roter Faden im Leben des heiligen Josef. Er glaubt an die Pläne Gottes und an die Unschuld seiner Frau. Er hat zu keinem Zeitpunkt an ihrer Treue gezweifelt. Er meinte, er würde nicht zu diesem Plan Gottes gehören. Daher die geplante Trennung von seiner Frau. Auch hier hat ihn sein Glaube nicht verlassen.

Ein echter Glaube prägt unser Verhalten und unsere Werke. Casciaro (1994) formuliert es ähnlich: “Der Glaube an Gott muss mit einer überzeugten Hingabe einhergehen”. Im Jakobus Brief (2,20) lesen wir: „Willst du erkennen, dass der Glaube ohne Werke tot ist?“.

Franz Werfel (2017) hat in einem Roman das Wunder von Lourdes meisterhaft beschrieben. Da schreibt er „Damit sich das Übernatürliche entschleiere, ist eine Bereitschaft der Seelen fürs Übernatürliche die wichtigste Voraussetzung”. Erst durch die Offenheit (und den Glauben) fürs Übernatürliche wird dieses klar. Für Josef bedeutete, dass die Botschaften in den Träumen klar waren, weil er fürs Übernatürliche offen war. Er verschließ sich nicht den Plänen Gottes. Er war stets offen dafür.

Über Markus (11,24) erhalten sehr schöne Worte Jesu über den Glauben: “Darum sage ich euch: Alles, worum ihr betet und bittet — glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil”. Auch wenn Jesus dies nach dem Tod Josefs sagte, hat Josef zeitlebens in Konformität mit diesen Worten gelebt.

Vertrauen

Und zu guter Letzt sprechen wir hier von Josefs Vertrauen zu Gott.

In Gesprächen mit Freunden, stelle ich gern zwei Fragen: Du wärest Mose und hättest den Stab in der Hand. Vor Dir das rote Meer, hinter Dir die Armee des Pharaos. Würdest Du den Stab ins Wasser stecken, damit sich die Wasser im Meer trennen?

Zweite Frage: Du sitzt im Boot. Jesus kommt über das Wasser gelaufen. Es stürmt. Würdest Du wie Petrus aus dem Boot aussteigen und über das Wasser gehen?

Diese Fragen wirken vielleicht etwas absurd, abstrus, gekünstelt. Sind sie aber nicht. Der Glaube von Moses und Petrus könnte auch unser Glaube sein. Beide haben geglaubt und so geschahen die Wunder. Sie haben Gott vertraut.

Wie ein Freund von mir sagt: Die Voraussetzungen für die Verwirklichung dieser Wunder sind nach wie vor gegeben. Warum geschehen diese Wunder nicht mehr? Ist unser Glaube nicht stark genug?

Persönlich mag ich den König David sehr, den wir vom Alten Testament kennen. Ich meine, den reumütigen David nach dem Ehebruch. Den David der Psalmen. Hier Psalm 142: “Ich schreie zu dir, o Herr. Meine Zuflucht bist du“. Welches Vertrauen!

Dieser Geist des Vertrauens färbt die Formulierung in den Psalmen sehr stark. Es ist ein Flehen nach Hilfe. Der Ruf eines demütigen Dieners. Ein Diener, der sein Vertrauen auf Gott setzt. So stelle ich mir sein Nachfahre Josef vor. Josef stand mehrfach vor rätselhaften Aufgaben. Wie hat er sich an Gott gewandt? Wir kennen seine Gebete nicht. Schade. Gern würde ich von ihm beten lernen.

Für Escrivá ist der heilige Josef der „Meister des Gebetes“, weil er ständig mit Jesus zusammen war. Mit ihm zusammen lebte. Wie wir es im geistigen Sinne tun müssen -so Escrivá.

Mehrfach haben wir festgestellt, dass Josef die ihm übertragenen Aufträge meisterhaft gelöst hat. Hat er den Sinn und Zweck der Aufgaben verstanden? Ocáriz formuliert es so: „Wenn man liebt, versteht man, auch wenn nicht bis zum Ende”. Auf Josef übertragen heißt es: Er erahnte nur den Sinn. Vollständig hat er ihn nicht verstanden. Aber trotzdem den Auftrag ausgeführt.

Sheen (1954) meinte, dass Maria ihren Lebensauftrag hundertprozentig ausgeführt hat. Ihr Leben entsprach vollständig den Erwartungen Gottes. Wie war es mit Josef? Ich wage zu sagen, fast hundertprozentig. Fast, weil es einen Unterschied zu Maria geben sollte, aufgrund des Grades an Heiligkeit. Ansonsten nahe an Hundertprozent.

Petrus und Paulus sind im Ranking der Kirche direkt hinter Josef. Diese beiden haben im Gegensatz zu ihm einige Fehltritte gehabt: Verfolgung der Christen bei Paulus und Verleugnung Jesu bei Petrus. Nicht so bei Josef. Uns ist kein Fehltritt überliefert. Ich kann mir beim besten Willen, keinen Fehltritt beim heiligen Josef vorstellen.

Diesen Artikel möchte ich mit einem Zitat von Ratzinger (2012) abschließen: „Hier tritt stärker als im Psalm der persönliche Charakter der Gerechtigkeit (Josefs) hervor — das Sich-Verlassen auf Gott, das dem Menschen Hoffnung gibt“.

Literatur

Sheen, F. (1954) Du bist gebenedeit unter den Weibern, Paul Pattloch Verlag, Aschaffenburg

Casciaro, J.M. (1994) Jesús de Nazaret, ALGA, Murcia

Ratzinger, J. (2007) Jesus von Nazareth, Freiburg, Herder

H. Daniel-Rops (1950) Jesus — der Heiland in seiner Zeit, Abendländische Verlagsanstalt Freiburg

Escrivá, J. (1972) Christus Begegnen, Madrid

Willam, F. M. (1953) Das Leben Marias, der Mutter Jesu, Herder

Escrivá, J.M. (1992) Der Rosenkranz, Adamas Verlag, Köln

Escrivá, J.M. (1987) Im Feuer der Schmiede, Adamas Verlag, Köln

Newman, J.H. (1937) Gott und die Seele, Mainz

Werfel, F. (2017) Das Lied der Bernadette, Benno, Leipzig

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Die Leiden Mariens — Teil 1

Die Leiden Mariens — Teil 2

Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie seit der Erstkommunion; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte aller sieben Tage; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien

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