Fest Herz Jesu

Karl-Maria de Molina
7 min readJun 12, 2022

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Die Kirche feiert nach der Auferstehung Christi zahlreiche Feste, die uns helfen sollen, eine Verbindung mit Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist zu entwickeln. Dazu zählt das Fest Herz Jesu.

Dieser Ausdruck der Frömmigkeit hat sich über die Jahrhunderte entwickelt. Dazu haben zahlreiche Heilige, aber auch Orden wie die Jesuiten beigetragen. Drei Heilige werden in Zusammenhang mit der Verehrung des Herzens Jesus genannt: Petrus Canisius, Jean Eudes und Margareta Maria Alacoque.

Wir wissen, dass Gott sich Heilige aussucht, die ein göttliches Anliegen in die Welt hineintragen sollen. Margareta Maria Alacoque fiel der Auftrag zu, die Verehrung des Herzens Jesu zu verbreiten. Von den drei oben genannten Heiligen war sie in der Chronologie die letzte. Es sieht so aus, als wollte Gott dieses sein Anliegen mit Hilfe von mehreren Heiligen aufeinander bauen und mit Margareta den Schlussstein darauf setzen. Dafür erhielt sie mehrere Visionen. Und dazu noch das genaue Datum für die Feier: Der zweite Freitag nach Fronleichnam.

Gott überlässt nichts dem Zufall

Was bezweckt Gott mit diesem Fest? Es ist offensichtlich, dass Gott dieses Fest, diese Verehrung, diese Frömmigkeitsübung sehr wichtig ist. Es handelt sich offenkundig nicht um eine Marotte eines Heiligen oder um eine von Visionen geplagten Ordensfrau. Diese Verehrung wurde -wie besehen- von Gott über die Jahrhunderte hin aufgebaut und entwickelt. Gott überlässt nichts dem Zufall.

Ist es so, dass sich Gott zu wenig geliebt fühlt, und nur deswegen dieses Fest ins Leben ruft? Wohl kaum! Dazu sagte mir ein Freund: „Gott braucht uns nicht, will uns aber brauchen. Der Mensch braucht Gott, will ihn aber nicht brauchen“. Gott käme wunderbar ohne uns aus. Und trotzdem lesen wir im Buch der Sprüche (8,31): „…meine Freude war es, bei den Menschen zu sein“. Es ist Gott, der den Kontakt zu uns sucht, weil wir Gott bedürftig sind. Er bietet uns seine Nähe. Wie lassen sich sonst seine Geschenke erklären: Erlösung, Eucharistie, Heiliger Geist, Mutterschaft Mariens, Sakramente, Kirche usw.? Hierzu siehe der Artikel Im Reich der Beschenkten.

Gott will uns den Weg zu ihm erleichtern. Allein der Tod am Kreuz hat die Kraft an unseren armen Herzen zu rütteln. Und trotzdem. Es scheint, als ob diese unglaubliche Marter auf dem Kalvarienberg an uns vorbei geht, ohne Spuren zu hinterlassen. Und dann greift Gott zu einem weiteren Trumpf: Das Herz Jesu, der Inbegriff der Liebe. Gott will, dass wir uns als Geliebte Gottes verstehen (siehe auch Gott und der Mensch — eine Liebesbeziehung)

Gott schenkt uns sein Herz, seine Liebe, damit wir ihm unser Herz und unsere Liebe schenken. Er will mit uns diese Liebesbeziehung herstellen, die unserem Dasein auf Erden und später im Himmel einen Sinn verleiht. Die Liturgie kennt dieses Anliegen, daher lesen wir im Messbuch Texte wie „Lass uns in die Nähe Deines Herzens kommen“ (Originaltext “Concede ut, nosmetipsos abnegantes, tibi toto corde adhaerere valeamus”).

lieben, bis es weh tut“ (Mutter Teresa)

Mutter Teresa von Kalkutta (1986) schreibt „Lass doch die Liebe Gottes ganz und gar von deinem Herzen Besitz ergreifen“. Genau das ist das Ansinnen Gottes, wenn er uns sein Herz schenkt. Das Gefährliche von diesen schönen Sätzen ist, dass daraus keine Konsequenzen folgen. Wie operationalisieren wir diese frommen Wünsche? Und es ist wieder die Mutter Teresa (1986), die uns die Antwort liefert: „Wir brauchen ein reines Herz, um in den geistlich Ärmsten Jesus erkennen zu können“. Mit anderen Worten, wir lieben Jesus, wenn wir unsere Nächsten lieben: Familie, Freunde, Kollegen, Nachbarn usw.

Lehren aus dem Fest Herz Jesu ziehen, heißt, unsere Mitmenschen „lieben, bis es weh tut“ (Mutter Teresa).

Wir kennen leider den inneren Zustand des Herzens Mariens vor der Verkündigung nicht. Wohl aber nach der Verkündigung. In ihrem Magnificat offenbart sie uns, was sie bewegt, was sie spürt, was sie denkt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“. Diese Freude entspringt aus ihrer Liebesbeziehung zu Gott, aus der Gnade. Wir werden zwar dieses Niveau niemals erreichen, aber auch wir können uns weiter entwickeln, höher steigen. Und genau das möchte Gott. Und dafür hat er dieses Fest ins Leben gerufen, und sogar eine Kirche in Paris aufstellen lassen: Sacré-Cœur in Montmartre. Das war sein Auftrag an Margareta Maria Alacoque.

Nach der Auferstehung sucht Jesus die Nähe zu den Jüngern. Auch und gerade zu den Enttäuschten. Lukas erzählt uns, wie Jesus auf zwei entmutigten Jünger zugeht (Lk 24,17): Er (Jesus) fragte sie: „Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? Da blieben sie traurig stehen“. Jesus geht auch heute auf uns zu. Er interessiert sich für unsere Themen, für unsere Niedergeschlagenheit, für unsere „Problemchen“, für unsere Traurigkeit. Er bietet sich für ein Gespräch an. Er will, dass wir ihm unser Herz ausschütten. Er sucht den Dialog mit uns. Er sucht unsere Nähe. Er, der Sohn des Allmächtigen, interessiert sich für unsere kleine Welt. Ist das nicht großartig? Sind wir nicht da verblüfft, wie nah uns Gott ist? Wer von uns hätte nicht gesagt, wenn diese Emmaus Jünger kein Interesse mehr haben, dann ist das eben ihr Problem. Damit beschäftige ich mich nicht. Nicht so Jesus! Und das ist unsere Chance, unsere Rettung.

„Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss“ (Lk 24,32)

Und der Text von Lukas geht weiter (Lk 24,27): „Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht“. Jesus geht nicht nur auf die Jünger zu. Er macht sich die Mühe, ihnen die Schrift zu erklären. Das ist eben das Herz Jesu. Das ist wahre Liebe. Wir kennen den genauen Wortlaut des Dialogs nicht. Die Jünger sagten hinterher über diese Zeit mit Jesus (Lk 24,32): „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“. Das kann auch heute passieren, dass unser Herz brennt, wenn wir uns ihm, seinen Worten, seinen Eingebungen öffnen.

Viele Menschen, Heilige oder ganz gewöhnliche Menschen, erzählen von solchen Erfahrungen. Welche Freude, welche Stärke haben diese Menschen gespürt. Und das ist unser Ziel fürs bevorstehende Fest, und für den Rest unseres Lebens: An Freude und Stärke zunehmen durch die Nähe des Herzens Jesu.

Von den alten Philosophen kennen wir den Satz „Bonum est diffusivum sui“, d.h. das Gute will kundgetan werden. Unsere Familien, unsere Freunde und Bekannte sollen dann an unserer Freude und Stärke teilhaben, die wir aus der Nähe Gottes erfahren haben.

Jesus hat sich im Rahmen seiner Predigten einige Male selbst beschrieben, z.B. „Ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Als Personaldiagnostiker weiß ich, dass Selbsteinschätzung eine schwere Aufgabe ist. Bei Jesus ist das anders, und die Fakten bestätigen letztlich seine Aussage: Güte und Demut sind zwei dominante Eigenschaften Jesu, die letztlich den Erfolg seiner Tätigkeit begründen.

Lassen wir uns ruhig vom süßen Wein der Liebe Gottes berauschen

Und genau diese Güte ist das Fundament für das bevorstehende Fest des Herzes Jesu. Außerdem gibt es im Verhalten Jesu ein sehr interessantes Merkmal: „Er kann nicht an einem liebenden Herzen vorbeigehen, ohne hängen zu bleiben“. Dieser Satz fasst sein Verhalten gegenüber Kranken und Bedürftigen zusammen. Und diese sogenannte Schwäche Gottes ist gerade unsere Rettung und unsere Hoffnung. Wenn wir ihm demütig, mit Liebe und Glauben begegnen, wird er uns nicht ignorieren. Im Evangelium wird uns beschrieben, wie sich Menschen an Jesus gewandt haben: Demütig (sie warfen sich ihm zu Füßen), Liebe (Ansprache als Sohn Davids) und Glauben (wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde).

Wenn wir so an sein Herz klopfen, wird er uns eine Freude schenken, die uns nichts und niemand auf Erden nehmen kann. In der Apostelgesichte (1,13) vom Pfingsttag „andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken“. Lassen wir uns ruhig vom süßen Wein der Liebe Gottes berauschen. Und die anderen werden langsam aber sicher neidisch und uns fragen: „Woher schöpfst Du diese Freude?“ Unsere schnelle Antwort: von Gott und auch Du kannst diese Freude erlangen!

Dieses Herz Jesu übt auf uns eine „magnetische“ Anziehungskraft. Wir wollen in seiner Nähe verweilen und auch er -wie gesehen- sucht unsere Nähe. Und wenn wir beim ihm sind, übernimmt Jesus die Last unserer Sorgen (Mt 11,28), und wir fühlen uns „im siebten Himmel“. Die Widerwertigkeiten sind nach wie vor da. Sie machen uns jedoch nicht platt. Jesus trägt sie.

Jesus will uns auf Erden froh. Und wir werden es nur in der Nähe seines Herzens. Ab dann strömen unaufhörlich aus unserem Herzen lautlose Worte des Dankes, der Liebe, der Entsagung.

Oben habe ich geschrieben, Jesus will uns auf Erden froh. Zum Abschluss dieses Artikels möchte Zitate von zwei Menschen, die diese Freude verinnerlicht haben. Die letzten überlieferten Worte von Johannes Paul II waren „seid froh, ich bin es auch“. Das war sein Vermächtnis. Und Maria? In ihrem Magnificat sagt sie zu Beginn ihrer Berufung: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“. Mehr Freude kann man auf Erde nicht haben! Danke Maria für diese schönen Worte!

Literatur

Mutter Teresa (1986) Die Sprache des Herzens — Gedanken für jeden Tag, Freiburg, Herder

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie seit der Erstkommunion; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte aller sieben Tage; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien

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