Karl-Maria de Molina
5 min readJun 15, 2022

Fest Herz Mariens

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Vor wenigen Tagen habe ich dem Fest Herz Jesu einen Artikel gewidmet (siehe auch der Artikel Fest Herz Jesu). Und heute erfolgt die Ergänzung: ein Artikel fürs Fest Herz Mariens.

Warum präsentiert uns die Kirche zwei Feste, zwei Herzen? Wie sollen wir Gläubige das verstehen? Genüg es nicht mit einem einzigen Fest? Wir wollen diese Frage mit einer Anekdote beantworten.

In einem Dokumentarfilm über die Gesellschaft in Japan erklärte die Moderatorin, wie ein Ehemann agiert, wenn Ehefrau und Mutter gegensätzliche Meinungen vertreten. In so einem Fall entscheidet er sich für die Mutter. Das ist ein leichter Hinweis darauf, dass es für uns Menschen die Meinung, die Liebe zur Mutter, eine große Rolle spielt. Und diese Liebe im Zweifel überwiegt gegenüber der Liebe zur eigenen Frau. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Kirche eine besondere Aufmerksamkeit der Mutter Jesu schenkt und sich mit ihrer Liebe zu uns befasst.

Diese beiden Feste -Herz Jesu und Herz Mariens- sind komplementär, weil Jesus und Maria „ein Herz und eine Seele“ sind (siehe auch Zwei Menschen — eine Seele)

Wie im Falle Jesu entstand die Verehrung des Herzens Mariens bereits in den ersten Jahrhunderten: Augustinus, Johannes Chrysostomus usw. Und wieder waren es Franzosen und Jesuiten, die die Verehrung des Herzens Mariens vorangebracht haben. Im 20. Jahrhundert legte Papst Pius XII für dieses Fest einen bestimmten Tag im liturgischen Kalender fest. Seit dem 2. Vatikanischen Konzil ist dieser Tag der Samstag nach dem Herz Jesu Fest.

Was ist das Spezielle an diesem Fest Herz Mariens?

Hängend am Kreuz hat uns Jesus Maria zur Mutter gegeben (Joh 19,26). Heilige wie Johannes Paul II (1999) oder Escrivá (1972) haben daraus abgeleitet, dass der Weg zu Jesus durch Maria geht. Der Zugang zur Mutter Maria ist viel einfacher als zu unserem Bruder Jesus. Das kennen wir aus eigener Erfahrung in unserer Familie. Und das weiß Gott auch.

Und Maria sucht unsere Nähe, wie ihre tausendfachen Erscheinungen bezeugen. In La Salette (Frankreich) sagt sie zu den Hirtenkindern Melanie und Maximin “Gehet und zeiget euch als meine geliebten Kinder. Ich bin mit euch und in euch, sofern euer Glaube das Licht ist, das es in diesen Tagen der Drangsale erleuchtet” (Hierzenberger 1993). Im selben Buch gibt der Herausgeber das Gespräch zwischen Maria und Bernadette Soubirous wieder. Bernadette liegt krebskrank im Bett. Ihr erscheint die Mutter Gottes und sagt: “Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, wohl aber in der anderen“. Die Mutter Gottes wie ihr Sohn wollen uns im Himmel. Ihre Hilfeleistungen dienen hauptsächlich diesem Zweck: Uns auf die Begegnung im Himmel vorzubereiten. Alles andere ist nur Beiwerk, nur Mittel zum Zweck.

Sie stellen sich lieber Leser, liebe Leserin, die Frage: Wie merke ich, wie spüre ich die Liebe Mariens? Und wieder antworte ich mit einer Anekdote.

Ein Bekannter von mir war im Außendienst tätig und holte Aufträge für die Firma. Nach einer gewissen Zeit stellte er fest, dass die Kundenbestellungen sehr häufig an Festen der Mutter Gottes eingingen. Anfänglich hielt er das für einen Zufall. Es handelte sich nur um eine Korrelation, nicht um eine Kausalität. Im Gespräch mit anderen Bekannten stellte er fest, dass es kein Einzelfall. Auch anderen Bekannten ging es ähnlich, nicht mit Aufträgen, aber mit anderen Themen. Ihnen war klar, irgendwie ist Hand Mariens im Spiel.

Daraus haben diese Bekannten eine innere Beziehung für die Mutter Gottes entwickelt, und letztlich für Jesus. Es waren innere Bekehrungen für mehr Liebe zu Jesus. Und genau das ist das Anliegen der Mutter Gottes: Über sie Jesus entdecken, Jesus lieben, unsere Leiden für ihn leben, über ihn sprechen.

Ein Freund von mir betet so: „Maria: Da Du meine Schmerzen lindern willst, will ich Deine Schmerzen lindern“. Schöner Vorsatz, meinen Sie nicht?

Wenn wir uns demütig und feinfühlig an sie wenden, erhalten wir womöglich die Antwort: „Ja, gern mein Sohn / meine Tochter“.

Wir sind geboren, um Gott eine Freude zu bereiten. Und wie schaffen wir das? Lassen wir Ocáriz (2022) antworten: „Wenn wir die anderen lieben, sind wir für Gott und Maria Grund zur Freude“. Dazu eine weitere Anekdote. Ein Bekannter geriet in eine kleine Diskussion mit einem Nachbar. Der Streit wollte nicht aufhören. Dann hörte mein Bekannter eine innere Stimme: „Dein Nachbar ist auch Sohn von mir“. Dem Bekannten war auf der Stelle klar, Maria leidet unter dem Streit und möchte, dass wir Frieden schließen.

Eine Bekannte litt unter schweren Zukunftsaussichten. Sie konnte deswegen nicht gut schlafen. Eines Tages wachte sie auf und hörte in ihrem Herzen die Stimme Mariens: „Du bist meine Tochter!“. Sie meinte, die Stimme war weich und bestimmt zugleich. Maria wollte in das Herz dieser meine Bekannten, und zwar für den Rest des Lebens die Sicherheit einprägen: Du stehst unter meinem besonderen Schutz! Und es geschah, wie es geschehen sollte -fügte die Bekannte hinzu-, dass ich -allen Widrigkeiten zum Trotz- vorankam und spürte eine „geliehene“ Stärke, die ich früher nicht hatte.

Passend dazu folgendes Zitat. Ida Friederike Görres (1948) übermittelt uns einen Text von Therese von Lisieux in Zusammenhang mit ihrer Genesung: “Plötzlich belebte sich die Statue! Die heilige Jungfrau wurde schön, so schön, dass ich niemals Worte finden werde, diese himmlische Schönheit wiederzugeben. Ihr Antlitz atmete eine unaussprechliche Milde, Güte, Zärtlichkeit — aber was mich bis auf den Grund der Seele durchdrang, war ihr entzückendes Lächeln”.

Die Liste der stillen und privaten Begegnungen mit der Mutter Gottes ließe sich ins unendliche verlängern. Ich möchte diesen Artikel mit einem Zitat von Escrivá (1981) abschließen: „Jesus kann Maria keine Bitte abschlagen und auch uns nicht, da wir die Kinder seiner Mutter sind“.

Wenden wir uns an das Herz Mariens mit der Sicherheit, Zärtlichkeit, Zuwendung, Zuversicht und Zeit (Z4) zu erhalten. Wir werden fündig…versprochen! Und wir werden die „Freuden der Liebenden“ genießen. Unser Leben wird sich in eine Art Vorstufe des Himmels verwandeln. Lassen wir uns auf diesen Versuch ein. Und der Versuch wird uns gelingen. Immer!

Literatur

Mutter Teresa (1986) Die Sprache des Herzens — Gedanken für jeden Tag, Freiburg, Herder

Escrivá, J. (1972) Christus Begegnen, Madrid

Escrivá, J. (1976) Rosenkranz, fe-Medienverlags, Kisslegg

Weigel, G. (1999) Witness to Hope — The Biography of Pope John Paul II, New York, Harper Collins

Hierzenberger, G., Nedomansky, O. (1993) Erscheinungen und Botschaften der Gottesmutter Maria, Weltbild

Görres, I.F. (1948) Das verborgene Antlitz — Eine Studie über Therese von Lisieux, Herder

Ocáriz, F. (2022) Im Lichte des Evangeliums, fe-Medienverlags, Kisslegg

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.