Das Co-Working Gottes mit uns

Karl-Maria de Molina
5 min readJul 3, 2022

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Gestern hat die Kirche in Deutschland das Fest Mariä Heimsuchung gefeiert.

Mit diesem sperrigen Begriff benennt die Kirche den Besuch Mariens bei ihrer Cousine Elisabeth (Lk 1,40).

Der Besuch erfolgte kurz nach der Verkündigung, d.h. nach dem Besuch des Erzengels Gabriels bei Maria (Lk 1,28).

In Zusammenhang mit diesem Besuch Gabriels möchte auf einen Aspekt hinweisen, und zwar wie Gott mit uns interagiert. Es ist eine Art Co-Working.

Fulton Sheen (1954) und Escrivá (1972) haben in ihren Schriften immer betont, dass Gott nicht nur unsere Freiheit respektiert, sondern dass er darauf aufbaut. Mit anderen Worten Gott interagiert mit uns, indem er auf unsere Pläne aufsetzt. Und genau das geschah beim Besuch Mariens bei Elisabeth.

Ich hole etwas heraus, um dieses Geschehen einzurahmen. Gott hat für die Erlösung der Menschheim viele Mitwirkende eingeplant. Unter anderem ein Vorläufer für Jesus. Dieser Vorläufer trägt den Namen Johannes und ist als Johannes der Täufer bekannt.

Seine Eltern sind Zacharias und Elisabeth. Und die besucht Maria bei der sogenannten Heimsuchung.

Für Johannes hatte Gott vor Ewigkeit her eine besondere Auszeichnung vorgesehen: Die Befreiung von der Erbsünde. Nicht vor der Zeugung -wie bei Maria-, sondern vor der Geburt.

Wir fragen uns, wie hätte Gott diese Befreiung von der Erbsünde „medienwirksam“ inszenieren können?

Damit wir medienwirksam davon Notiz bekommen, hat Gott den Besuch Mariens bei Elisabeth dazu genutzt, um Johannes von der Erbsünde zu befreien.

Wenn für Gott die Befreiung der Erbsünde wichtig war; wenn Gott eine medienwirksame Inszenierung haben wollte, dann hätte er womöglich einen eigenen Plan entwickeln können. Aber Nein, er tut es nicht. Er setzt auf die Pläne Mariens, die sie im Rahmen ihrer Freiheit organisiert hat.

Maria hat nach Absprache mit ihrem Bräutigam Josef den Besuch bei ihrer Cousine Elisabeth beschlossen. Der Entschluss kam, nach dem sie von Erzengel Gabriel erfahren hatte (Lk 1,36), dass die ältere Cousine ein Kind erwartete. Im Artikel Das Portrait einer Königin habe ich das Zustandekommen dieses Entschlusses beschrieben.

Maria hat von Gabriel nicht die Aufforderung erhalten, besuche deine Cousine, damit Gott Johannes von der Erbsünde befreien kann. Nein. Maria trifft eine Entscheidung auf Basis ihrer Freiheit. Und Gott sattelt seinen Plan darauf, ohne Maria unter Handlungszwang zu setzen. Gott respektiert vollends ihre Freiheit.

Anhand der Szenen der Verkündigung und der Heimsuchung habe ich auf einen wichtigen Aspekt der Handlungsweise Gottes hingewiesen: Der Respekt unserer Freiheit.

Lieber Leser, liebe Leserin, Sie fragen sich, gilt das nur für solch wichtige Personen der Kirchengeschichte wie Maria, Johannes, Elisabeth? Nein. Das gilt „mutatis mutandis“ für jeden und jede von uns.

Gott bedient sich unserer eigenen Pläne, um seine Pläne umzusetzen. Er weiß im Voraus, was wir vorhaben und baut seine Pläne mit hinein. Ist das nicht schön, wie Gott agiert? Wir sind Mitwirkende in den Plänen Gottes, und zwar unter Wahrung unserer vollen Freiheit!

Gott weiß, z.B. dass wir jemanden treffen werden. Und dann bedient er sich unserer Gespräche mit dieser Person, damit sie den Weg zu Gott findet. Bei Matthäus 16,15 lesen wir „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet der gesamten Schöpfung das Evangelium“. Was hier hochtrabend klingt, geschieht auch im bei uns Kleinen. Es kann so laufen, wie uns der Psalmist David (66,16) erzählt: “Kommt, hört zu, und ich werde euch allen, die ihr Gott fürchtet, sagen, was der Herr meiner Seele angetan hat!” Auch wir spüren in unserer Seele, wie viel Gutes Gott für uns getan hat. Und davon reden wir unaufgefordert. Einfach aus der Freude heraus.

Wir werden unseren Familien, Freunden und Bekannten passende Worte ins Ohr flüstern. Und anschließen selbst erstaunt sein, was wir da gesagt haben. Matthäus 10,20 formuliert es so “Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden”. Dazu eine kleine Anekdote. Es war in den Sommerferien auf dem Lande. Es gab ein Treffen mit vielen Familien. Jung und alt kamen zusammen. Und in den Gesprächen entfachte sich eine Diskussion. Und da plötzlich, aus dem Nichts sprach ein junges Mädchen. Alles waren erstaunt. Was redet sie da? Die Worte klangen wie diktiert vom Heiligen Geist. Das Mädchen konnte sich anschließend nicht mehr erinnern, was sie so aufgesagt hatte. Aber den Umstehenden war klar: Gott hat sich dieses Mädchens bedient. Diese Anekdote liegt einige Jahre zurück. Ich muss immer an dieses Ereignis denken, wenn ich vom Co-Working Gottes schreibe.

Und kehren wir zurück zu unserem Gedankengang: Lassen wir Gott durch uns wirken -wie im Falle des Mädchens. Er hat für uns und unsere Mitmenschen nur Gutes im Sinn. Er will uns hier auf Erden glücklich, und später mit uns den Himmel teilen. Glücklich inmitten der irdischen Leiden und Schwierigkeiten.

Im Musée des Beaux-Arts in Antwerpen gibt es eine große Ausstellung von Gobelins. Der Betrachter sieht nur die schöne Vorderseite mit den Abbildungen, nicht aber die verknotete Rückseite. Wir Menschen sehen zumeist nur die Rückseite. Wir sehen Probleme, Ärger usw. Gott sieht neben der Rückseite auch die Vorderseite.

Wir agieren im Leben mitten unter Chaos, Problemen, Enttäuschungen, Leiden, d.h. Rückseite der Gobelins. Gott aber wirkt inmitten unseres Lebens und zimmert eine glänzende Vorderseite. Er sieht das Positive inmitten vom Chaos. Und manchmal gewährt er uns einen Blick auf die Vorderseite als wäre eine Incentive-Maßnahme. Und wir freuen uns wie Kinder…

Handeln wir, Lieber Leser, liebe Leserin, völlig frei und lassen wir uns auf dieses Zusammenwirken mit Gott zusammen. Am Ende eines Tages, eines Monats, unseres Lebens werden wir zurückblicken und auf ein großartiges Panorama schauen. Freuen wir uns auf das nächste Co-Working mit Gott. Noch heute!

Literatur

Escrivá, J. (1972) Christus Begegnen, Madrid

Escrivá, J. (1976) Rosenkranz, fe-Medienverlags, Kisslegg

Sheen, F. (1954) Du bist gebenedeit unter den Weibern, Paul Pattloch Verlag, Aschaffenburg

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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