Aufnahme Mariens in den Himmel und ihre Krönung

Karl-Maria de Molina
9 min readAug 11, 2022

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In wenigen Tagen feiert die Kirche zwei marianische Feste: Aufnahme Mariens in den Himmel und ihre Krönung. Das erste Fest am 15. August. Das zwei eine Woche später.

Das Dogma der Aufnahme Mariens im Himmel ist chronologisch das letzte der vier marianischen Dogmen der katholischen Kirche. Papst Pius XII verkündete es im Jahr 1950.

Viele Heilige und Mystiker haben dieses Ereignis gemäß der eigenen Frömmigkeit beschrieben. Hier ein Text von Escrivá (1976): „Und die himmlischen Heerscharen entfalten ihren ganzen Glanz…Und so groß ist die Majestät Mariens, dass sich die Engel fragen: Wer ist doch diese?“ Durch die großartig gestalteten Eröffnungsfeiern der olympischen Spiele sind wir mit der Ausgestaltung solcher Ereignisse vertraut. Dadurch fällt es unserer Fantasie leichter, sich solch den himmlischen Empfang der Tochter, Braut und Mutter Gottes vorzustellen.

Die kanonischen Texte der Evangelisten enthalten keine Notiz über dieses Ereignis. Nur die apokryphen Texte und die alte Überlieferung helfen uns hier, und setzen den Ort der „Dormitio“ in Jerusalem auf dem Berg Zion. Maria soll -so die Tradition- im Kreis der Jünger Jesu entschlafen sein. Im Benediktiner Kloster zu Rohr in Niederbayern hat sich der junge Egid Quirin Asam mit der Darstellung dieser Szene verewigt. Die Mutter Gottes wird jung, dynamisch und voller Anmutung dargestellt. Im Jahr 2015 hatte ich ein Kundenprojekt in der Oberpfalz und so nutzte ich die häufigen Autofahrten, um bei diesem Bild der Mutter Gottes „vorbeizuschauen“ und für viele Anliegen zu beten.

Als ich vor Jahren nach München Anfang zog, lernte ich eine Familie aus Rohr kennen und dürfte am 15. August der Heiligen Messe in der oben erwähnten Asam-Kirche beiwohnen. Ein Erlebnis. Der ganze Ort -so kam es mir vor- war in der Kirche versammelt, um der Mutter Gottes seine Ehre zu erweisen. Es war eine tiefempfundene, über Generationen gelebte Frömmigkeit zur Mutter Gottes.

Warum ist es mir ein Anliegen, diesen beiden Festtagen einen Artikel zu widmen und das, nachdem ich bereits mehrere Artikel über die Mutter Gottes geschrieben habe? Nachfolgend die Antwort.

In den Texten des Evangeliums befinden sich lobende Worte Jesu für Johannes dem Täufer (Mt 11, 9), für die großzügige Witwe (Mk, 12, 42), für den Glauben der griechischen Frau (Mk 7,26) usw. Die wenigen lobenden Worte für seine Mutter sind verklausuliert (Lk 8,20): „Da sagte man ihm (Jesus): Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und möchten dich sprechen. Er erwiderte: Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln“.

Scott Hahn (2004) legt diesen obigen Text so: „Jesus lehnt den Lobpreis seiner Mutter keineswegs…Er rückt das Lob Marien in die rechte Ordnung. Es geht darum, Maria nicht wegen ihrer menschlichen Mutterschaft zu verehren, sondern wegen der Erfüllung des Willens Gottes“. Und viele geistliche Autoren legen diesen Text in ähnlicher Form aus. Willam (1953) schreibt: „Die Worte Jesu (über seine Mutter) bedeuten…in erster Linie einen Lobpreis auf seine eigene Mutter“. Auch Leo Kardinal Scheffczyk (2003) schlägt in die gleiche Kerbe: “Das Wort Jesu wertet mithin seine Mutter nicht ab, sondern macht in ihr eine den Umstehenden damals noch verborgene Größe sichtbar”.

Ich wage jedoch eine Unverschämtheit Jesus gegenüber: „Diese Worte des Lobes reichen mir nicht!“ Wenn wir in das Herz Jesu rein schauen, dann erkennen wir, dass er für diejenigen volle Dankbarkeit empfindet, die „meine Gebote haben und sie halten“ (Joh 14,21). Und das tat die Mutter Gottes in vollkommener Form (Sheen 1954). Jesus lobt eine Witwe wegen zwei Cents. Wie viel mehr wird er für die Frau Dankbarkeit empfinden, die nach ihm die wichtigste Rolle im Erlösungsplan Gottes gespielt hat? Im Artikel So dankbar ist Gott habe ich kurz die Dankbarkeit Gottes am Beispiel der Maria Magdalena und des Johannes erläutert. Wie stark muss Jesus Dankbarkeit für seine Mutter empfunden haben! Nach all den Schmerzen am Kreuz, beim Verlust des zwölfjährigen Jesu in Jerusalem usw. Den Leiden Mariens habe ich zwei lange Artikel gewidmet, daher muss ich hier nicht alle uns bekannten Leiden Mariens aufzählen.

Wenn wir uns die letzten Worte Jesu im Abendmahlsaal anschauen und diese auf Maria anwenden (Joh 15,7 bis 16), dann wäre es nur konsequent, dass er Maria Dankbarkeit erweist. Sei hier aus Joh 15,14 folgender Text wiedergegeben: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“. Das gilt hundertprozentig für Maria. Ergo musste Gott einen Sonderplan für sie entwerfen: Aufnahme in den Himmel mit Leib und Seele.

Was wäre sonst die Alternative gewesen? Ein Grab Mariens hier auf Erden? Das ist ein Non-Go! Das Grab liefe Gefahr, in den Wirren der Jahrhunderte entehrt zu werden. Die Logik Gottes ist in diesem Fall sogar für uns nachvollziehbar.

Wie genau die Feier der Aufnahme Mariens im Himmel ablief, werden wir in der göttlichen „Mediathek“ im Himmel sehen können. Ich freue mich schon heute darauf! Im Vergleich dazu werden die Aufführungen der Olympischen Spiele verblassen!

Und nach der Feier ist vor der Feier: Auf die Aufnahme Mariens in den Himmel folgt ihre Krönung.

Eine Woche danach, d.h.am 22. August, feiert die Kirche ein weiteres Marienfest: Ihre Krönung. Papst Pius XII hat mit seiner Enzyklika „Ad caeli reginam“ vom 11. Oktober 1954 die königliche Würde der Seligsten Jungfrau Maria bestätigt.

Dieses Fest ist mir sehr ins Herz gewachsen, weil es in der Kontinuität der Dankbarkeit Gottes steht. Die Krönung Mariens ist die logische Fortsetzung ihrer Sonderstellung als Mutter des Königs des Himmels und der Erde. Sie ist damit die Königin Mutter. Diese Krönung markiert den Höhepunkt der Dankbarkeit Gottes für die Tochter, Braut und Mutter Gottes. Und so hat es die Kirche über die Jahrhunderte verstanden, jedoch erst im 20. Jahrhundert offiziell verkündet.

Und wie bei der Aufnahme in den Himmel können wir uns diese Feier sehr leicht ausmalen. Wir kennen Krönungen aus Dokumentarfilmen z.B. die Krönung von Elisabeth II. Ich stelle mir die Krönung Mariens schlichter vor, jedoch würdiger und liebevoller, mit dem Ehemann Josef an ihrer Seite. Da Maria Tochter Davids ist (Ratzinger 2007), dürfte der ehemalige König Israels nicht fehlen, und einen herausragenden Platz einnehmen.

Die Hochzeitsfeiern im alten Israel dauerten mehrere Tage. Ob sich die Feierlichkeiten der Krönung Mariens auch über mehrere Tage hingezogen haben, wissen wir nicht. Eigentlich irrelevant. Zumal im Himmel die Dimensionen von Zeit und Raum nicht mehr gelten.

Was heißt für unser tägliches Leben, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen und dazu bekrönt worden ist. Tuschiert uns das? Verändert dieses Ereignis unser Leben? Ja. Wenn sich Gott seiner Mutter dankbar erweist, ist dies für uns ein Zeichen dafür, dass er sich auch bei uns Menschen dankbar erweisen wird. Und zwar bei denen, die ihn lieben, die seine Gebote halten, die ihn ehrfürchtig begegnen (Joh 15,12).

Dieses Ereignis gibt uns halt für den Alltag und lässt uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Sollten wir einen Schicksalsschlag erleiden, den wir aus Liebe zu Gott annehmen, dann hat das eine himmlische Dimension. Und das entgeht Gott nicht. Das ist im Übrigen meine tägliche Erfahrung im eigenen Leben und im Leben anderer. Gott belohnt großzügig. Jeder kleine Akt von uns zählt. All das zahlt in unser himmlisches Konto ein. Jesus hat uns hierzu den passenden Hinweis geliefert: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf Erden…, sondern sammelt euch Schätze im Himmel“ (Mt 6,19). Und dazu noch „Selig der Knecht, den der Herr damit beschäftigt findet, wenn er kommt!“ (Lk 12,37). Unser Leben hier auf Erden ist eine Vorbereitung auf unser himmlisches Leben.

Wenn Gott für Maria einen Sonderplan entworfen hat, dann wird er auch für uns einen angemessenen Plan am Ende unseres Lebens entwerfen. Meine Erfahrung mit Menschen aus meinem Umfeld sagt mir, dass Gott die Liebe für jeden einzelnen im Moment des Todes auf besonderer Weise zum Ausdruck bringt (siehe auch so dankbar ist Gott). Und noch dazu der tröstliche Gedanke, dass „Jesus für uns nicht Richter, sondern Freund sein wird“ (Escrivá 1993). Ein Freund, der uns im Himmel begrüßt und uns einlädt, mit ihm Mahl zu halten.

Und was wartet auf uns im Himmel? Lassen wir den Propheten Jesaja sprechen (64,3): „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“ (auch in 1. Kor 2,9).

Mit Maria im Himmel haben wir nahe bei Gott eine Fürsprecherin. Hier Worte Mariens in ihrer Erscheinung in La Salette: “Gehet und zeiget euch als meine geliebten Kinder. Ich bin mit euch und in euch, sofern euer Glaube das Licht ist, das es in diesen Tagen der Drangsale erleuchtet” (Hierzenberger 1993).

Dankbarkeit ist keine Einbahnstraße. Sie bedeutet, dass auch wir uns bei Gott bedanken müssen. Maria hat es vorgemacht: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig“ (Lk 2,48). Dieser Satz aus dem Magnificat zeigt das Mindset Mariens. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie nur von der wunderbaren Zeugung Jesu gewusst. Und sie bedankt sich in Anwesenheit ihrer Base Elisabeth. Wie dankbar müssen wir dem Evangelisten Lukas sein, dass er uns diesen wunderbaren Text des Magnificat geliefert hat.

Dankbarkeit ist Zeichen von Demut. Und diese ist Grundvoraussetzung für den Umgang mit Gott. Erweisen wir täglich Gott unsere Dankbarkeit. Beim Rückblick auf unser Leben werden wir das „Quid divinum“ (das Göttliche) entdecken z.B. der Glaube, unsere Eltern, die christlichen Freunde, der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin, die Kinder usw.

Gründe für Dankbarkeit lassen sich häufig am Tag finden: Kurzer Besuch beim Herrn in einer Kapelle, ein Gespräch mit Freunden über den Glauben usw.

Dankbarkeit ist ein Zeichen von Liebe, und „Gott kann ein liebendes Herz nicht ignorieren“. Je dankbarer wir uns Gott erweisen, stärker werden wir seine Liebe in unserem Herzen spüren.

Martin, ein Freund von mir, formulierte einen Vorsatz mit folgenden Worten: „Ich bin geboren, um Jesus eine Freude zu bereiten, indem ich die Schmerzen seiner Mutter lindere“. Wenn wir diesen Vorsatz fassen, kann es passieren -wie es Martin ergangen ist-, dass wir folgende Worte Mariens in unserem Herzen hören: „Da Du meine Schmerzen lindern willst, will ich Deine Schmerzen lindern“.

In der Nähe Gottes wird unser Alltag äußerlich normal verlaufen, wie bei Milliarden von Menschen auch. Keine Besonderheiten. Und trotzdem, wir werden innerlich sehr nah bei Gott sein: „Mit den Füßen auf der Erde und mit dem Kopf (und Herzen) im Himmel“ (Escrivá 1993).

Und wie sieht unser Eintritt in den Himmel in einigen Jahren aus? Mit Trompeten und Fanfaren?

Ich erlaube mir Worte zu erfinden, die Jesus bei unserem Ankommen zu uns sprechen könnte: „Liebe N., lieber N., so einen Empfang wie bei meiner Mutter wird es verständlicherweise bei Dir nicht geben. Für Dich haben wir jedoch wohlklingende Trompeten organsiert. Ich habe Deine Eltern, Deine Familie und auch Deine Freunde zusammen getrommelt. Ich habe auch meine Mutter und Josef gebeten, bei Deinem Empfang dabei zu sein. Du hast sie zeitlebens sehr gern gehabt. Daher lassen sie sich nicht nehmen, bei Deinem Ankommen dabei zu sein. Freue Dich. Wir alle haben auf Dich gewartet“. Der Italiener sagt zu diesen erfundenen Worten: „si non e vero e ben trovato“!

Literatur

Escrivá, J. (1976) Rosenkranz, fe-Medienverlags, Kisslegg

Escrivá, J. (1983) Kreuzweg, Köln

Mutter Teresa (1986) Die Sprache des Herzens — Gedanken für jeden Tag, Freiburg

Sheen, F. (1954) Du bist gebenedeit unter den Weibern, Paul Pattloch Verlag, Aschaffenburg

Scott Hahn (2004) Die Königin des Himmels — Maria suchen und finden, Sankt Ulrich Verlag

Hierzenberger, G., Nedomansky, O. (1993) Erscheinungen und Botschaften der Gottesmutter Maria, Weltbild

Scheffczyk, L. (2003) Maria — Mutter und Gefährtin Christi, Augsburg, Sankt Ulrich-Verlag

Ratzinger, J. (2007) Jesus von Nazareth, Freiburg, Herder

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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