Die Entdeckung der Barmherzigkeit

Karl-Maria de Molina
5 min readSep 11, 2022

Vor einem Jahr hielt mein Freund Harald einen Vortrag und erwähnte einen mir unbekannten Namen: Schwester Faustina Kowalska. Bis dahin wusste ich nicht, dass die bekannte Abbildung des barmherzigen Jesus auf sie zurückgeht. Dies weckte meine Neugier und ich besorgte mir eine Biografie der Schwester Faustina (siehe Bild).

Dieses Buch hat einen starken Eindruck bei mir hinterlassen und möchte daher hier einige Zitate wiedergeben und kommentieren. Schwester Faustina sind viele Gnaden erwiesen, u.a. vielen Visionen des Heilands und hat von ihm viele Aufträge erhalten. Der wichtigste Auftrag war, die Barmherzigkeit Gottes in Erinnerung zu rufen.

Neulich sprach ich mit meinem Freund Claus über Jesus. Ich hatte überlegt, ob es ein besonderes Merkmal bei Jesus gibt, dass am meisten hervorsticht. Für mich war die Dankbarkeit. Darauf erwiderte Claus: Die Barmherzigkeit. Und ich dachte, ja. Im Evangelium werden viele Ereignisse beschrieben, wo die Barmherzigkeit Gottes zum Vorschein kommt. Daran erinnert mich immer meine Schwester Anna.

Zurück zum Buch von Schwester Faustina. Auf Seite 14 schreibt sie: „Ich vertraue auf deine Worte, denn du bist die Wahrheit und das Leben. Trotz allem, Jesus, vertraue ich auf dich im Angesicht jedes inneren Gefühls, das sich gegen die Hoffnung stellt“. Ein wesentliches Merkmal von den Heiligen ist ihr Vertrauen auf Gott. Dieses Vertrauen entsteht aus der Überzeugung, dass er besser weiß, was wir für unser Seelenheil brauchen. Auch wenn hierfür Widerwärtigkeiten nicht ausbleiben. So äußert sich Paulus im Hebräer Brief (12,5): “Mein Sohn, verachte nicht die Zucht des Herrn…verzage nicht, wenn er dich züchtigt”.

Und dann auf Seite 15 eine Aussage der Mutter Gottes an Faustina: “Ich weiß, wie Du leidest, aber hab keine Angst. Sei gewiss: Ich leide mit Dir mit und ich werde es immer tun”. Faustina war nicht nur mit Jesus in einem intensiven Dialog, auch mit Maria. Faustina wurde wegen ihrer zahlreichen Erscheinungen von den Schwestern regelrecht drangsaliert und schikaniert. Daher diese trostreichen Worte Mariens. Und so verfährt Maria mit jedem von uns, wenn wir leiden. Und ich lehne mich nicht zu sehr aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass jeder / jede von uns diese Erfahrung gemacht hat. Maria schenkt uns -wie Escrivá es nannte- den „Balsam der Zärtlichkeit“. Sie ist die Mutter der Barmherzigkeit.

Dann weiter auf Seite 25 die Worte Jesu an Faustina: „Das Misstrauen der Berufenen bereitet mir noch größere Schmerzen. Trotz meiner unerschöpflichen Liebe zu ihnen, vertrauen sie mir nicht“. Vor dem Hintergrund des Synodalen Weges erhält dieser Satz eine neue Brisanz. Die Berufenen vertrauen nicht mehr darauf, dass Gott es besser weiß, dass er es richten kann. Dies hat er in der 2.000-jährigen Geschichte der Kirche immer getan. Und jetzt trauen die Berufenen Gott nicht mehr zu, dass er die Kirche gemäß seinem Geist reformieren kann.

Auf Seite 31 lesen wir die Worte Jesu an Faustina: „Das Misstrauen der Berufenen bereitet mir noch größere Schmerzen. Trotz meiner unerschöpflichen Liebe zu ihnen, vertrauen sie mir nicht“. Dieses Zitat könnte nicht treffender unsere Zeit beschreiben. Wie wenig sprechen wir über die Beichte! Wie gering ist das Beichtangebot und wenn doch dieses vorhanden, wird nicht angenommen. Das Gefühl für die Sünde ist uns abhandengekommen. Es ist die Bewegung des Pendels. Viele Jahre hat die Kirche die Sündhaftigkeit des Menschen in den Vordergrund gestellt. Und jetzt bewegt sich das Pendel in die andere Richtung bis hin zur Sündenfreiheit im Falle von Ehebruch, wie manche Mitglieder des Synodalen Weges verlangen.

Und dann weiter auf Seite 43 die Worte Jesu an Faustina: “Ich belohne nicht für gute Ergebnisse, sondern für die Geduld und die Mühen, die jemand meinetwillen auf sich genommen hat“. Die Evangelisten haben uns viele Worte Jesu wiedergegeben. Durch die Heiligen -wie hier durch Schwester Faustina- erhalten wir neue Einblicke in die Denkweise Jesu. Die Message des Zitates korreliert mit dem Text aus Matthäus 10,38. Hier sagt Jesus: „Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt, und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert“.

Auf Seite 44 schreibt Faustina: “Für Jesus können wir uns jedes Leid auf uns nehmen”. Dieser Satz ist letztlich ein Blanko Scheck für Jesus, so wie alle Heiligen es getan haben, allen voran die Mutter Gottes. In der Apostelgeschichte (5,41) lesen wir “Sie (Petrus und Johannes) gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden”. Die Apostel waren Zeugen der Liebe Gottes. Sie fühlten den dringenden Wunsch aus Dankbarkeit, für ihn zu leiden. Und diesen Gedanken von damals greift Faustina wieder auf. Dieser Grundgedanke zieht sich wie ein roter Faden im Laufe der Kirchengeschichte und ist heute auch aktuell. Mein Freund Michael formuliert es so: „Jesus, je mehr Leid ich erfahre, desto mehr werde ich dich lieben“. Michael bedankt sich -wie er mir neulich erzählte- immer bei Gott, wenn er Widerwärtigkeiten erfährt, weil er diese für Jesus aufopfern kann.

Das Buch ist sehr dick und enthält tausende wertvolle Zitate. Ich füge zugute Letzt drei davon:

Eine edle und feinfühlige Seele mit feinem Gespür, sieht Gott in allem, findet ihn überall und weiß ihn, auch in den verborgensten Dingen zu finden“ (Seite 83).

“Jesus, forme mein armes Herz nach Deinem göttlichen Geschmack” (Seite 99).

Eine Seele wird für die Einhaltung der Regel einen größeren Lohn erhalten als für Bußübungen und große Abtötungen“ (Seite 103).

Schwester Faustina hat uns ein Meisterwerk des gelebten Glaubens hinterlassen. Mehr als eine Biografie hat uns Schwester Faustina ein Vermächtnis seiner Gespräche mit Jesus und Maria überlassen. Es handelt sich um einen verborgenen Schatz des richtigen Umgangs mit Gott. Viele weitere Zitate könnte ich dazu fügen, viele Kommentare ließen sich dazu schreiben. Ich belasse es bei einer kurzen Rezension und beim Wunsch, dass auch Sie die Neugierde verspüren, von dieser großartigen Frau, den richtigen Umgang mit Gott zu lernen.

Gern beende ich diesen Artikel mit einem Text vom Gleichnis des verlorenen Sohnes (Lk 15,1–32): “Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm”.

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

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