Jesus und Daniel, der Hirtenjunge

Karl-Maria de Molina
6 min readDec 11, 2022

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Jedes Jahr zu dieser Zeit bereiten wir uns auf das Weihnachtsfest vor.

Heuer lauschen wir auf die Geschichte vom Hirtenjunge Daniel. Er war nämlich in jener Nacht vor über 2.000 Jahren im Stall zu Bethlehem zu Besuch.

Daniel erzählt: Mein Vater, mein Freund Lukas, drei ältere Hirten und ich lagerten in den Hügeln nahe Bethlehem mit unserer Herde. Wir hielten Nachwache. Die Nacht war ruhig und kühl. Der Mond leuchtete prächtig. Der Himmel war sternklar.

Unsere Gespräche waren bereits verstummt, als es auf einmal hell wurde. Aus dem Licht trat ein Wesen hervor. Wir erschraken. So etwas kannten wir nicht. Und das unbekannte Wesen sprach zu uns. Wegen der Aufregung verstand ich am Anfang kein Wort. Langsam wurde mir klar, dieses Wesen hatte eine Nachricht für uns. Es sprach von einem Kind, das unser Retter sein sollte. Alles war seltsam. Es schien so, als wäre das Wesen von der eigenen Nachricht fasziniert. Es strahlte voller Freude. Es meinte, in der Nähe werden wir dieses Kind finden. Und dann kamen noch weitere Wesen, es waren Heerscharen. So plötzlich wie sie gekommen waren, verschwanden sie.

Als die Show vorbei war, schaute ich auf meinen Freund Lukas. Auch er war vom Ereignis hingerissen. Und die älteren Hirten auch. Nur mein Vater ließ sich die Emotion nicht anmerken. Nachdem die Wesen weg waren, besprachen wir das Ereignis und was wir tun sollten. Mein Vater wollte bei der Herde bleiben, Lukas und ich sollten zusammen mit den älteren Hirten dieses Kind aufsuchen. Und so taten wir es. Nach circa einer Stunde sahen wir in einem Stall unten im Tal Licht. Ist da das Kind? Wir liefen zum Stall.

Vor dem Klopfen schauten wir hinein. Drinnen waren Menschen und Tiere. Mehr konnten wir nicht erkennen. Einer der älteren Hirten klopfte an der Tür. Lukas und ich waren gespannt: Was passiert jetzt? Eine männliche Stimme antwortete: Herein! Und so taten wir es. Im Stall waren ein mittezwanziger Mann und eine junge Frau, keine zwanzig. Und in der Krippe lag ein Baby. Auch Tiere waren im Stall.

Der Mann, vermutlich der Vater, begrüßte uns. Sein Akzent war nicht von hier. Die Frau, vermutlich die Mutter des Kindes, schaute uns freundlich zu. Ihr Gesicht verriet Müdigkeit, und Freude zugleich. Lukas und ich schauten auf die beiden Fremden gespannt. Es war so, wie das Wesen oben auf dem Hügel erzählt hatte. Es war eine junge Familie mit einem Neugeborenen. Mehr nicht. Und trotzdem, unser Herz war von einer tiefen Freude beseelt. Warum wusste ich damals nicht.

Einer der älteren Hirten erzählte den Grund des Besuches und wie wir von der Geburt dieses Kindes, vom Retter, erfahren haben. Diese Erklärung ließ in den Gesichtern der Mutter und des Vaters ein breites Lächeln hervorzaubern. Ihre anfängliche Überraschung nach unserem Eintreten verschwand, und in ihren Gesichtern war eine große Emotion und Freude zu lesen. Beide waren von unserem Besuch sichtlich gerührt, sie besonders.

Ich war damals sieben. Lukas auch. Mein Schäflein Emmy hatte ich mitgebracht. Ich überließ es Lukas und ging zur Krippe, wo das Kind lag. Es schlief. So verwegen wie ich bin, fragte ich die Mutter, ob ich das Kind küssen dürfte. Sie nickte. Ich kniete und drückte einen Kuss auf seine Stirn. Bei der Aktion wurde es wach und lächelte mir zu.

Dann schaute ich auf die Mutter und stellte mich vor: Ich bin Daniel, ich bin sieben. Darauf die Mutter: Ich heiße Maria. Und der Vater: Ich bin Josef, und zeigte auf das Kind: Das ist Jesus.

Und sie, Maria, frage mich, willst Du das Kind in die Arme nehmen? Bei der Frage errötete ich und antwortete: Ja, gern, wenn ich darf. Du darfst, kam aus ihrem Munde. Ihre Stimme höre ich noch heute in meinem Herzen. Sie war wohl klingend, liebenswürdig, mit einem Akzent aus dem Norden. Sie nahm das Kind aus der Krippe und legte es auf meine Arme. Ich kniete nach wie vor der Krippe. Und dann hatte ich dieses Kind in meinen Armen. Ich weiß nicht wie lang. Damit erfüllte sich ein langgehegter Traum. Ich wünschte mir seit langer Zeit eine jüngere Schwester oder einen jüngeren Bruder. Ich träumte davon, irgendwann ein Kind in den Armen zu tragen. Und da geschah es. Niemand wusste von diesem Traum. Nur Gott. Und hier war er, der angekündigte Retter der Welt in meinen Armen. Innerlich fing ich an zu weinen. Äußerlich ließ ich mir nichts anmerken. Nur die Mutter bemerkte meine Emotion. Ich hatte den Eindruck, sie konnte in meinem Herzen lesen. Sie verstand mich. Heute weiß ich nicht mehr, wie lange ich das Kind in den Armen trug. Es war sicherlich ein kurzer Moment, der einen bleiben Eindruck in meinem Leben hinterlasse hat.

Einer der älteren Hirten sagte dann schroff, wir müssen weg. Wir wollen nicht mehr stören. Daniel, dein Vater wartet auf uns. Die Mutter nahm das Kind aus meinen Armen. In der Zeit hatte ich es mehrfach geküsst. Es war so liebenswürdig. Mein Zeitgefühlt war futsch.

Ich stand auf. Ging zu Lukas und nahm das Schäflein Emmy, und brachte es zu Josef. Das ist mein Geschenk für Sie, sagte ich. Er wollte zunächst das Geschenk nicht annehmen. Ich bestand darauf. Und so lenkte er ein. Maria beobachtete die Szene von der anderen Seite der Krippe, wo das Kind lag. Sie warf einen liebenden Blick auf mich und sagte: Daniel kommt zu mir. Ich ging zu ihr. Sie sagte: Daniel, besten Dank und sie gab mir einen Kuss. Ich errötete nochmals.

Der ältere Hirt wiederholte seine Aufforderung zu gehen. Und so taten wir es. Wir verabschiedeten uns, verließen den Stall und machten uns auf den Weg zu unserer Herde.

Ich wollte mir nichts anmerken lassen, aber Lukas erkannte meine Gemütslage. Ich war innerlich dermaßen bewegt, dass ich schwerlich meine Tränen der Freude zurück halten konnte. Nach circa zehn Minuten fing ich an zu weinen. Ich konnte meine Emotion nicht mehr zurückhalten. Ich war innerlich gerührt. So etwas kannte ich nicht. Auch heute nach all den Jahren nicht. Es war eine unvergessliche Nacht, damals in den Hügeln von Bethlehem, vor über 2.000 Jahren. Die Nacht war ruhig und kühl. Der Mond leuchtete prächtig. Der Himmel war sternklar.

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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