Den Himmel brauchen wir noch!

Karl-Maria de Molina
9 min readAug 23, 2023

Wir leben, als gäbe kein nachher

Beim TV-Sender N-TV läuft seit Jahren ein Programm mit dem Titel „Deluxe“. Dabei wird der Lebensstil der Superreichen gezeigt, und zwar, um Sehnsucht und Neid zu wecken. Dazu passt die Nachricht vom Transfer von Neymar nach Saudi-Arabien, wo ihm ein Gehalt von 320 Mio. für zwei Jahr vertraglich zugesichert wurde.

Wie passt dieser Vorspann zu einem Artikel, wo es eigentlich um den Glauben gehen soll? Damit wollte ich eine Kostprobe davon geben, zu welchen Absurditäten unsere Fixierung auf den Reichtum führen kann. Unser Leben ist quantitativ von den oben erwähnten Exzessen weit entfernt, qualitativ gibt es doch Ähnlichkeiten: Wir sind im Allgemeinen auf unseren Wohlstand sehr bedacht. So werden wir von der Gesellschaft erzogen: Heute wie früher.

Haben wir einen stabilen Wohlstand erreicht, dann besteht die Gefahr, dass wir nach dem Grundsatz leben: „Wir haben alles und genügen uns“. Und dann brauchen wir keine Hilfe von anderen: Wir haben das nötige Geld, dazu Gesundheit, Verwandte, Freunde, Netzwerk. Mehr brauchen wir nicht. Wir genügen uns!

Wenn dem so wäre, müssten wir sehr glücklich sein. Sind wir es aber nicht. Es gilt der berühmte Satz: „Geld löst einige Probleme, es schafft aber auch andere“.

„Der heilige Philipp Neri hatte Recht, wenn er alle Toren nannte, die in diesem Leben auf Erwerb von Reichtum und Ehre bedacht sind“ (Liguori 2000). Dieser steilen These könnten wir erwidern, dass wir für unsere Familie und für unseren Unterhalt sorgen müssen. Philipp Neri ging es um die Betonung auf den Reichtum.

Aus der Arbeitswelt kennen wir den Begriff der Ambidextrie. Auf unser Thema angewendet, heißt: Ein Teil unseres Lebens gilt den irdischen Belangen (Wohlstand) und ein zweiter Teil gilt dem Göttlichen. Geht das? Ja. In diesem Artikel präsentieren wir das Konzept.

Den Lazarus-Effekt

Oben habe ich die Lage unserer Welt mit drastischen Worten beschrieben. Wie lautet jetzt die Lösung?

Wir sprachen vorhin von der Ambidextrie? Einen Teil dieses Lebens beherrschen wir perfekt, und zwar unser Streben nach Wohlstand. Jetzt kommt der zweite Teil der Ambidextrie: Der Blick aufs Göttliche, auf das Übernatürliche, auf das, was wir nicht sehen, aber trotzdem da ist.

Viele Heilige und Jesus präsentieren uns die Lösung. Hier einige Zitate.

Im Text des Evangelisten Lukas (16,20) lesen wir „(Jesus sagt: Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte“. Diese Worte Jesu mögen auf uns nicht ganz zutreffen. Hier überzeichnet Jesus absichtlich die Lebensweise „des Reichen“. Und jetzt kommt der Arme mit Namens Lazarus (Lk 16.20): „Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwür war“. Dieser Lazarus landete nach dem Tod in den Himmel, der Reiche in die Hölle. Damit bekräftigt Jesu seine Lehre (Mt 6,24): „Niemand kann zwei Herren dienen, er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben oder umgekehrt“.

Wir lesen weiter bei Lukas (12,15): „Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt“. Wir mögen den Eindruck haben, wir leben nicht Überfluss. Ein Vergleich mit Deutschland nach dem Krieg oder mit Ländern in Afrika oder Südamerika reicht aus, um den eklatanten Unterschied festzustellen.

Und Lukas liefert uns eine weitere Passage (Lk 12,16): „Und er (Jesus) erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte“. Unsere erste Reaktion ist nun mal: Gut so! Darauf könnten wir antworten: Auch ich habe gestern einen guten Kundenvertrag abgeschlossen. Nur, was folgt daraus? Wer außer uns profitiert davon?

Jesus fährt fort mit seiner Lehre (Lk 12,18): „Da überlegt der Reiche hin und her: Was soll ich (mit der großen Ernte) tun? Schließlich sagte er: So will es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen. Dann kann ich zu mir sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trinkt und freue dich des Lebens“. Eigentlich eine ganz normale Reaktion, könnte man meinen. Nur Jesus sieht es anders (Lk 12,20): „Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern“. Krass! Warum das? Was hat der gute Reiche falsch gemacht? Er hat nichts gestohlen. Er freute sich nur über seinen Reichtum!

Was Gott verwerflich findet, ist die ausschließliche Ausrichtung auf sich, die Ich-Bezogenheit. Dieser Reiche lebte für sich. Nur er profitierte von seinem Reichtum.

Gott will für uns die oben erwähnte Ambidextrie. Eine gute Ernte gehabt? Gut so. Damit haben wir die irdischen Bedürfnisse gedeckt. Wo bleibt dann die zwei Seite der Medaille, d.h. der Gottesbezug beim Reichen. Null. Und das prangert Jesus in einem drastischen Beispiel, um uns die Augen zu öffnen.

Im Evangelium könnten wir noch weitere Passagen finden, wo Jesus den irdischen Reichtum kritisiert. Er plädiert vielmehr dafür, dass wir „Schätze im Himmel sammeln“ (Mt 6,20). Und genau diesen Aspekt besprechen wir in den nächsten Abschnitten.

Ergänzend zu den Aussagen Jesu seien einige Sätze aus dem Magnificat herausgegriffen (Lk 1,68): „Er (Gott) stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“.

Als Maria diese Sätze aussprach, war Jesus noch nicht geboren. Und diese Sätze stehen in voller Konsonanz mit den späteren Aussagen Jesu.

Die Pläne Gottes für jeden von uns

Jede/r von uns lebt, weil Gott es will. Er hat mit uns etwas vor. Unser Leben hat einen festen Platz in den Plänen Gottes. Man könnte es mit einem Unternehmen vergleichen, wo jede Arbeitsstelle ihre Rolle erfüllt.

Was will den Gott von uns? Er will uns bei sich im Himmel haben. So einfach ist das. Er hat uns ins Leben gerufen, damit wir uns den Himmel „erarbeiten“, und zwar mit seiner Hilfe. Nur im Himmel finden wir die Vollendung unseres Lebens.

Es tut sich hier die Frage auf: Was ist überhaupt der Himmel? Eine einfache, wie ungenaue Definition lautet: „Da, wo Gott lebt“. Abgesehen davon, dass Gott nicht lebt, weil er kein Lebewesen ist, gibt es außerhalb der Schöpfung keinen Raum (und keine Zeit). Daher ist dieses „da“, d.h. Raum, falsch. Fragen wir ChatGPT, was er uns über den Himmel sagen kann: „In der christlichen Theologie wird der Himmel oft als Wohnort Gottes und Endziel der Seelen der Gerechten beschrieben. Es wird als ein Ort ewiger Freude dargestellt, an dem Gläubige in der Gegenwart Gottes sind und ewiges Leben genießen“. Ganz falsch ist die Beschreibung nicht. Es gefällt mir, dass der Algorithmus den Begriff „Gerechten“ hier einführt. Im Alten wie Neuen Testament finden wir häufig diese Bezeichnung für Menschen, die bei Gott Wohlgefallen gefunden haben. Jesus wird in diesem Zusammenhang auch von Freunden sprechen.

Wer gelangt in den Himmel?

Damit treten wir in die entscheidende Phase des Artikels: Wer kommt in den Himmel? Die Antwort finden wir oben: Die Gerechten bzw. Auserwählten, d.h. die Freunde Gottes. Das klingt nicht nach vielen! Befinden wir uns unter diesen Auserwählten? Jesus klärt auf. Bei Johannes (Joh 14,21) lesen wir: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt“. Jetz wissen wir es!

Und bei Matthäus (Mt 5,3) lesen wir „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich“. Damit haben wir die zwei wichtigsten Voraussetzungen für einen Himmelgang aufgezählt: Gebote halten und arm sein vor Gott. Später auch bei Matthäus wird diese Aussage bekräftigen (Mt 19,23): „Das sagte er zu seinen Jüngern: Ein Reicher wird nur schwer in das Himmelreich kommen“. Sie werden mir vorwerfen, ich reite immer auf der Welle gegen den Reichtum. Nicht ich tue das. Die bisherigen Zitate stammen von Jesus.

Beim näheren Hinsehen stellen wir fest, dass Jesus beim betuchten Simon in Bethanien zu Gast war (Mk 14,3 und Mt 26,6) oder auch beim reichen Zollpächter Zachäus in Jericho (Lk 19,5). In Anwesenheit von Jesus kommt es zu einer Bekehrung und Zachäus verspricht den Armen einen Großteil seines Reichtums zu geben! Jesus ist auf die Erde gekommen, um alle Menschen zu retten, arme wie reiche. Seine Lehre ist für alle gleich: Unseren Reichtum im Himmel aufbauen und nicht auf der Erde. Und so hat Jesus gelebt: Losgelöst vom irdischen Reichtum.

Oben habe ich den Satz „ich genüge mir“ negativ bewertet. Die Antwort auf diesen zutiefst egoistischen Satz heißt: Gottesbedürftigkeit. Sie lässt uns erkennen, wie sehr wir der Gotteshilfe bedürfen.

Vor Jahren gab es einen erfolgreichen Vorstand bei Bertelsmann: Thomas Middelhoff. Wie er in einem Interview zugab, übernachten nur in den Hotelsuiten, fliegen nur im privaten Jet. Er überdrehte das Spiel, bis der Arbeitgeber die Reißleine zog. Dann fiel er sehr, sehr tief und verbrachte einige Jahre im Gefängnis. Und da kam er wieder zu sich und erlebte die Gottesbedürftigkeit in reinste Form. Heute redet er in Talkshows offen von dieser Entdeckung, die zugleich eine Bekehrung ist.

Sicherlich ist dies ein krasser Fall. Ich wünsche niemanden solch eine Erfahrung. Und zugleich wünsche ich mir, dass wir immer wieder kleine Kurskorrekturen in Richtung Gottesbedürftigkeit machen.

Die Lösung für unser Leben ist die mehrfach genannte Ambidextrie: Fürs Irdische und zugleich fürs Himmlische sorgen. Der Heilige Escrivá formulierte es so: „Die Füße auf dem Boden und der Kopf im Himmel“.

Es tut sich die Frage auf: Haben wir das Ticket für den Flug in den Himmel erworben? Meine ehrliche Antwort lautet: Pflegen wir eine tiefe Freundschaft mit unserem künftigen Richter namens Jesus. Im Messbuch lesen wir im Eingangsvers: „Juxta cor meum“, das heißt so viel wie: „Gemäß meinem Herzen“. Das heißt, dieser Mensch hat nach der Vorstellung Gottes gelebt. Wenn wir es so tun, dann ist unser Zutritt (so gut wie) sicher!

Ist der Weg dahin leicht? Nein, sagt uns der Apostel Paulus (Apg 14,19): „Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen“. Der Weg ist nicht leicht. Es gibt keinen anderen.

Brauchen wir noch den Himmel? Ja. Denn nur da werden all unsere Sehnsüchte gestillt. Der Reichtum hier auf Erden kann unserem Leben nicht den vollen Sinn verleihen. Daher will uns Gott bei sich im Himmel haben. Nur er kann unsere Seele mit der wahren Freude füllen.

Beenden wir diesen Artikel mit einem weiteren Text von Paulus (Eph 1,4): „Denn er hat uns auserwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“. Das ist die Lösung für unseren Himmelgang: „Heilig und untadelig leben vor Gott“.

Literatur

von Liguori, A.M. (2000) Elemente einer Spiritualität der Liebe, Ebner, Ulm

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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