Wie kommt es, dass wir Maria lieben?

Karl-Maria de Molina
6 min readSep 11, 2023

Von Natur aus neigt der Mensch, die eigenen Eltern zu lieben. Insbesondere die leibliche Mutter. Dies sollte auch für unsere spirituelle Mutter Maria gelten. Aufgrund ihres Leidens und ihrer Fürsorge entsteht ganz natürlich eine Liebe zu ihr. Mit ihrer Demut und Natürlichkeit macht sie den Weg zu ihr einfach und begehbar.

Ursprung unserer Liebe zu Maria

Vor einiger Zeit war ich mit dem Zug unterwegs. Ich wollte von St. Anton (Tirol, Österreich) nach Frankfurt. Wie ich während der Fahrt erfuhr, würde dieser Zug nicht bis Frankfurt fahren, sondern nur bis Bregenz. Wie der Zufall es will, ein Mitreisender wohnte in Bregenz und bot mir an, bei ihm im Elternhaus zu übernachten. Am nächsten Tag könnte ich dann mit dem Zug nach Frankfurt weiterfahren -so sein Vorschlag. Ich fand es cool und nahm das Angebot an.

Spät abends kamen wir zum Elternhaus des Mitreisenden. Seine Mutter begrüßte mich herzlich, als würden wir uns seit Jahren kennen. Daraus zog ich eine Lehre fürs Leben. Diese Frau nahm mich gern auf, weil ihr Sohn mich eingeladen hatte. Die Wertschätzung des Sohnes für meine Person übernahm sie vollends.

Übertragen wir diesen Gedanken auf unsere Beziehung zur Mutter Jesu. Wir lieben ihren Sohn, weil er für unsere Erlösung gelitten hat und gestorben ist. Daher wäre es nur logisch, dass wir unsere Liebe zu ihm auf seine Mutter projizieren. Das heißt, wir lieben sie, weil wir ihren Sohn lieben. Oder würden wir wagen, Jesus ins Gesicht zu sagen: „Ich liebe Dich sehr, aber Deine Mutter interessiert mich eine Bohne!“ Postwendend würde uns Jesus zu verstehen geben: „Du liebst mich null, wenn Du meine geliebte Mutter so behandelst“.

Im Johannes Evangelium lesen wir folgende Worte Jesu (Joh 13,34): „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“. Wenn wir einander lieben sollen, dann erst recht die Mutter Jesu.

Dazu kommt noch, dass Jesus uns seine leibliche Mutter als spirituelle Mutter gegeben hat (Joh 19,26).

Bislang habe ich nur Argumente für eine Art „Pflichtliebe“ zu Maria geliefert. Diese Liebe klingt irgendwie aufgezwungen und nicht aus dem Herzen kommend. Reicht das? Pflegen wir solch eine Art von Liebe zu unseren Eltern, unseren Geschwistern, unseren Freunden/innen? Wahrlich nicht!

Die wahre Liebe zu Maria

In zahlreichen Artikeln habe ich mich mit dem Leben Mariens befasst: Persönlichkeitsprofil, ihre Leiden für uns, ihre Beziehung zu Jesus, die Familie von Nazareth, Fest Herz Mariens usw.

Wir Menschen lieben diejenigen am meisten, die unseretwegen gelitten haben, z.B. unsere Eltern. Und dann auch diejenigen, die ein Teil unseres Lebens ausmachen: Geschwister, Freunde, Kollegen usw.

Auf Maria trifft beides zu: Sie hat unseretwegen unermessliche Leiden auf sich genommen und heute begleitet uns hier auf Erden Tag für Tag.

Die Gläubigen haben im Laufe der Jahre eine Auflistung der Freuden und Schmerzen Mariens erstellt. Die Liste enthält sieben Freuden und sieben Leiden. Bei einer näheren Lektüre des Evangeliums und Bücher über ihr Leben lassen sich ganz leicht 17 Leiden zusammentragen (siehe das hat Maria für uns gelitten — Teil 1 und Teil 2). Allein die zahlreichen Leiden würden genügen, um ihr unsere volle Dankbarkeit zu erweisen und sie in unser Herz zu schließen.

Nach ihrer Aufnahme in den Himmel beobachtet Maria das Geschehen auf Erden sehr genau, wie uns ihre Wortmeldungen in den zahlreichen Erscheinungen bestätigen. Maria begleitet nicht nur die Welt insgesamt, sondern auch jeden einzelnen von uns. Diese Aussage lässt sich auf zweierlei Weise beweisen. Zum einen aus Erzählungen von Heiligen, die mit ihr spirituell in Kontakt waren. Und zum anderen auch beim Reflektieren über unser eigenes Leben. Maria hinterlässt „Spuren“ in unserem Leben, damit wir ihre Wirkweise erkennen können. Die zahlreichen Tafeln „Maria hat geholfen“, die in den Wallfahrtsorten hängen, sind in Beleg dafür, wie oft und wie intensiv die liebe Mutter Maria unser Leben begleitet.

Jeder von uns könnte von zahlreichen Erfahrungen berichten, wo Maria sehr konkret und nachweislich gewirkt hat. Meine eigene Liste würde mehrere DIN-A4-Seiten füllen.

Vor einigen Tagen beschrieb in einem Kurzartikel eine Begebenheit von Denis mit dem „si doveva“ (siehe Denis und das „si doveva“). Es ist eine kleine Episode im Leben von meinem Freund Denis. Darin wird erzählt, wie den Umgang mit der Mutter Gottes gestaltet.

Jede/r von uns soll einen ganz persönlichen Zugang zu dieser großartigen Frau finden. Ich habe in diesem Text zwei rationale Gründe genannt, warum unsere Liebe zu Maria mehr als angebracht wäre. Mütter haben eine einmalige Fähigkeit, sich liebenswert zu machen. Bei Maria trifft dies im vollen Umfang zu.

Wen wir lieben, wünschen wir ein Wohlergehen, d.h. ohne Schmerzen. Maria leidet aber heute unter den Sünden der Welt -wie sie in mehreren Erscheinungen bekundet hat (G. Hierzenberger, O. Nedomansky 1993). Die heilige Faustina Kowalska (1987) hat einen trefflichen Vorsatz gehabt: „Ich will ihre Schmerzen lindern“. Auch wir könnten diesen Vorsatz fassen: „Maria keine Sorgen bereiten, sei es durch unser eigenes Leben oder durch das Leben anderer“. Wir können Maria mit einfachen Mitteln eine große Freude bereiten: „Die Bitten Jesu in die Tat umsetzen“. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Weniger Schmerzen zufügen und mehr Freude bereiten.

Wir haben nur ein Herz, um zu lieben

Und zu guter Letzt ein Gedanke, der uns bei der Entwicklung unserer konkreten Liebe zur Mutter Gottes helfen kann.

Escrivá (1981) sagte einmal: „Ich liebe Gott mit demselben Herzen, mit dem ich seine Eltern geliebt habe“. Beim näheren Betrachten enthält der Satz nichts Neues. Und zugleich legt einen interessanten Aspekt auf. Mit diesem Satz wollte Escrivá die Liebe zu Gott, zu Maria vermenschlichen und damit operationalisieren. Die Liebe zu Gott, zu Maria darf nicht etwas Gekünsteltes sein. Dazu neigen manche Menschen und das sollten wir vermeiden -so Escrivá. Er wollte vielmehr, dass unsere Liebe zu Gott, zu Maria „normalisieren“. So zu sagen, ins Reich des Alltäglichen übertragen. Und das rate ich Ihnen auch, lieber Leser, liebe Leserin. Wir dürfen die Beziehung zu Gott nicht zu einer „spirituellen Ekstase“ entgleiten lassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es gibt viele Gründe, warum die Liebe zur Mutter Gottes angebracht ist. Und das schöne dabei, diese Liebe ist nicht abgehoben. Sie ist so selbstverständlich, wie die Liebe zur leiblichen Familie.

Beenden wir diesen Artikel mit einem Zitat von Mutter Teresa (1986) „Bitten wir in aller Einfachheit die Mutter Gottes, sie möge uns beten lehren, wie sie Jesus lehrte in all den Jahren, in denen er bei ich in Nazareth war“.

Literatur

G. Hierzenberger, O. Nedomansky (1993) Erscheinungen und Botschaften der Gottesmutter Maria, Weltbild

Kowalska, F. (1987) Divine Mercy in my soul — Diary, Marian Press

Escrivá, J.M. (1981) Freunde Gottes, Adamas Verlag, Köln

Mutter Teresa (1986) Die Sprache des Herzens — Gedanken für jeden Tag, Freiburg

Diese Artikel sind bereits online — — — https://medium.com/@karlmariademolina

Denis und das „si doveva“

Unser Leidensweg führt zu Jesus

Den Himmel brauchen wir noch!

Das Vermächtnis der Mutter Gottes

Jesus zu Besuch bei Martha in Bethanien

Wer bist Du, Jesus?

Gott ist ein Familien-Typ

On the way to Emmaus

Die leisen Dialoge mit Jesus

Auf dem Weg nach Emmaus

Die 6V der Follower Christi

Die Karwoche an der Seite Mariens

Der Schlüssel zum Dialog zwischen Jesus und Maria

Jesus von Nazareth — ein Persönlichkeitsprofil

Jesus und Daniel, der Hirtenjunge

Ein Mensch ohne Makel — geht das?

Jesus — König unserer Seelen

Unser Leben in den Händen Gottes

Smarte Heiligkeit

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Aufnahme Mariens in den Himmel und ihre Krönung

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Das Co-Working Gottes mit uns

Fest Herz Mariens

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Das Revival des Heiligen Geistes

Jesus kehrt zurück zum Vater

Gott und der Mensch — eine Liebesbeziehung

Ihr Ja hat die Welt verändert

Josef — Sohn Davids und Bräutigam Mariens

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Die Leiden Mariens — Teil 2

Das Portrait einer Königin

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Die Heilige Familie von Nazareth

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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